Full text: Jahresbericht 1990 (1990)

durch die Meister des ausgehenden 19. Jahrhunderts 
zlobale Bedeutung auch für die gleichgesinnten Malerkol- 
legen anderer Länder und Schulen. Mit einer sorgfältigen 
Auswahl von rund 200 Werken aus dem Besitz von annä- 
hernd 90 Leihgebern, die nach einzelnen Ländern oder 
länderübergreifenden Kunstregionen gegliedert waren, 
sollte dieses Phänomen einem breiten Publikum wie auch 
den Spezialisten im Überblick vermittelt werden. 
Der Grosse Ausstellungssaal fand sich dementspre- 
chend in 13 einzelnen «Galerien» aufgeteilt, die zur Hälfte 
von Tageslicht erfüllt waren. Auf ein Vorkabinett, das auf 
dunklem Grund die Vorläufer impressionistischer Land- 
schaftsmalerei in Frankreich (Corot, Daubigny), Grossbri- 
tannien (Constable, Turner), Deutschland (Blechen, 
Menzel), in den Niederlanden (Jongkind) und Italien 
(frühe «Macchiaioli») aufnahm, folgten in fünf ungefähr 
gleich dimensionierten Sälen die Präsentationen der Land- 
schafter aus den Niederlanden, Belgiens, der Schweiz, 
Italiens und Skandinaviens. 
Sowohl inhaltlich wie auch räumlich im Mittelpunkt 
der Ausstellung stand die Abteilung mit französischen 
Bildern, die sich mehrheitlich auf das Schaffen der drei 
grossen Landschafter Claude Monet, Alfred Sisley und 
Camille Pissarro konzentrierte. Dadurch dass diese Maler 
mit mehreren Bildern aus verschiedenen Schaffensperi- 
oden vorgestellt werden konnten, liess sich auch eine 
geraffte Stilentwicklung im Schaffen des jeweiligen 
Meisters selbst mitverfolgen. 
Auf diese Mitte, die gleichzeitig auch eine Art «Dreh- 
scheibe» der Ausstellung war, folgten die Ländergruppen 
Osteuropas, Österreichs, Deutschlands, Grossbritanniens, 
der USA und schliesslich Spaniens, die einerseits wiederum 
den Vergleich zu den französischen Impressionisten 
anregten und andererseits beobachten liessen, inwieweit 
regionale «pleinairistische» Tendenzen zu parallelen Ent- 
wicklungen geführt hatten oder gar — was grosse Teile des 
Publikums mit Erstaunen feststellten — die französischen 
Ausprägungen zu einem Gutteil vorweggenommen hatten. 
Neben anerkannten und weltberühmten Malern wie 
James Ensor, Edvard Munch, Vincent van Gogh oder auch 
Ferdinand Hodler, deren Beiträge zur impressionistischen 
Landschaftsmalerei in diesem Kontext evident wurden, 
fanden sich eine Vielzahl der für die regionalen Stilent- 
wicklungen wichtigen Impressionisten vertreten, die heute 
fast ausschliesslich in ihren Heimatländern gefeiert werden. 
So waren denn zum Beispiel die in Nordamerika hochge: 
schätzten Landschaftsansichten eines Theodore Robin- 
son, John Henry Twachtman, William Merrit Chase den 
meisten Besuchern ebenso unbekannt wie die Impres- 
sionen des Dänen Kroyer, der Finnin Fanny Churberg oder 
des Ungarn Szinyei Merse. 
Die Ausstellung wurde begleitet von einem umfas- 
senden Film- und Video-Programm, das vor allem den fran- 
zösischen Landschaftern gewidmet war. Sie stiess beim 
Publikum auf breites Interesse, was sich nicht zuletzt in deı 
Zahl von rund 90000 Besuchern ausdrückt. Die Medien 
nahmen grossen Anteil an der Diskussion der «Landschaft 
im Licht». die teilweise äusserst kontrovers verlief. TS 
Giovanni Segantini 
Seit der Ausstellung in St. Gallen 1956 war das für die Kunst 
des späten 19. Jahrhunderts so bedeutsame Werk von 
Giovanni Segantini (1858-1899) in der Schweiz nie mehr 
im Überblick zu sehen gewesen. Den Ausgangspunkt 
unseres Unternehmens bildete der Ankauf des letzten 
grossen Werks in Privatbesitz, der 1893 in Savognin 
begonnenen und 1895 in Maloja fertiggestellten 
«Alpweiden». Eine Neubewertung Segantinis schien uns 
notwendig. Insgesamt 70 Gemälde und 50 Pastelle und 
Zeichnungen, die mit finanzieller Unterstützung der CS 
Holding Zürich aus 12 Ländern und von 66 Leihgebern 
zusammengetragen wurden, ermöglichten fürs erste, sich 
vor so scheinbar «totgesehenen» Originalen wie dem «Ave 
Maria», so kapitalen wie den «Bösen Müttern» oder umge: 
kehrt einer ganzen Reihe kaum bekannter Werke eine 
eigene Meinung zu bilden. Davon machte ein zahlreiches. 
vorwiegend älteres Publikum Gebrauch, das keinesweg‘ 
nur in Nostalgie schwelgte, sondern sich wie die «Alterna- 
tivszene» von Segantinis Naturbeschwörung stärken liess. 
Eine selten unqualifizierte Kunstkritik repetierte indessen 
die alten Klischees in solcher Vehemenz, dass sich die von 
uns gewünschte «kritische Revision» für viele offenbar 
erübrigte. Wo sie stattfand —wie in der ausländische Presse 
bei Künstlern, Führungen und begleitenden Veranstal 
tungen — führte sie zu äusserst fruchtbaren Ergebnissen
	        
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