Full text: Jahresbericht 1990 (1990)

schaft, das kulturelle Erbe der Stadt zu mehren und 
fruchtbar werden zu lassen, indem sie die kostbare Altar- 
:afel des jüngeren Hans Leu dem Kunsthaus schenkte. Das 
seit Generationen im Ausland verschollene Werk ermög- 
licht es nun erstmals, die hohe Qualität zu erkennen, die 
der bedeutendste Zürcher Maler der Renaissance in seinen 
anspruchsvollen Aufträgen erreichte. 
Aus den Geschenken, die die Kunstgesellschaft im 
Berichtsjahr entgegennehmen durfte, ragen zwei Werke 
von Manet und Kokoschka hervor. «Espagnole» gehört zu 
den seltenen, wunderbar freien Pastellen aus Manets 
letzten Jahren; wir möchten der Familie von Walther und 
Leni Hanhart-Wolfensberger, die mit diesem faszinie- 
renden Werk eine kaum zu vergessende Erinnerung an ihre 
Eltern stiftete, auch hier unseren grossen Dank 
ausdrücken. Herr und Frau von Wyss-Ehinger vermachten 
dem Kunsthaus ein Gouache-Gemälde von Rouault und 
die 1947 aus der Zürcher Kokoschka-Ausstellung erwor- 
benen «Weinberge bei Sion». Aus der gleichen Serie kam 
damals die mächtige Montana-Landschaft in die Samm- 
lung, neben der das allzu ähnliche, aber kleinere Bild nicht 
zur angemessenen Wirkung gelangen kann. Sicher im 
Sinne von Herrn und Frau Wyss und in Absprache mit den 
Erben, die dem altvertrauten Gemälde besonders zugetan 
sind, übernahm ein Familienmitglied das Bild zu einem 
marktüblichen Preise und ermöglichte so die Erwerbung 
des schon länger gewünschten, bedeutenden Spätwerkes 
«Die Macht der Musik II». Damit ist nun auch die letzte, 
ungemein farbige und intensive Phase von Kokoschkas 
Schaffen, die bereits auf den neuen expressiven Aufbruch 
der achtziger Jahre vorausweist, hervorragend vertreten. 
Der durch die Vermittlung von Frau Olda Kokoschka 
besonders günstige Preis des Bildes ermöglichte es über- 
dies, 150 000 Franken dem Sammlungsfonds I zuzuweisen. 
Zwei weitere Legate erhielt das Kunsthaus von Frau 
Dr. Marguerite Meyer-Mahler, die eine künstlerisch sehr 
feine, auf silbrige Grau- und Blautöne gestimmte 
Bodensee-Landschaft von Adolf Dietrich vermachte, und 
von Frau Lucia Moholy, die dem Museum als besonders 
aufmerksame und regelmässige Besucherin viele Jahre eng 
verbunden war. Aus den wenigen, ihr verbliebenen 
Gemälden ihres Mannes wählte sie das stattlichste, das als 
linear perspektivisch aufgebautes Spätwerk das flächig und 
farbräumlich konzipierte frühe Bild im Kunsthaus vorzüg- 
lich ergänzt. Im Rahmen der kleinen Accrochage, die das 
Kunsthaus Herrn Roman Clemens zum achtzigsten 
Geburtstag ausrichtete, überliess er der Sammlung das 
zrosse Gemälde «La Balance». 
Die Aktivitäten im Sammlungsbereich waren von den 
Jubiläen zweier wichtiger Stiftungen geprägt. Im Sommer 
konnte die Gottfried Keller-Stiftung auf ihre hundertjäh- 
rige Existenz zurückblicken. Die Festveranstaltung im 
Landesmuseum hat den Niedergang dieser einst bedeu- 
:enden Institution, die die Funktion einer Nationalstiftung 
wahrnehmen sollte, eher besiegelt als aufgehalten. Als 
Ergänzung der im Parterre gezeigten Ausstellung «Ein 
bescheidenes Kunstreischen» wurde ein repräsentativer 
Querschnitt durch die im Kunsthaus verwahrten Deposita 
der Stiftung zusammengestellt. Wie bei Gottfried Keller 
fällt bei Alberto Giacometti das Todesdatum mit dem 
Gründungstag der Stiftung nahe zusammen; deren 
25.Wiederkehr wurde mit der Ausstellung «La Mamma a 
Stampa — Annetta gesehen von Giovanni und Alberto 
Giacometti» und einer neuen Fassung des Sammlungskata- 
loges markiert. Wie ungebrochen gegenwärtig Giacometti 
auch als beispielhafte Künstlerpersönlichkeit ist, 
bezeugten die über 500 Menschen, die sich am Todestag 
zum Film von Ernst Scheidegger einfanden. 
Die Leihgaben an andere Museen nahmen erneut zu; sie 
beanspruchen die Arbeitszeit unseres Registrars zum 
grossen Teil; ebenso werden der technische Dienst und die 
Restauratoren durch diese Passiv-Seite unserer eigenen 
Ausstellungs-Tätigkeit stark belastet. An 76 Veranstal- 
tungen wurden 490 Objekte ausgeliehen; die Ausstellung 
der Matisse-Skulpturen in Bern und die Eröffnungsaus- 
stellung des Kunsthauses Zug wurden zu einem beträcht- 
lichen Teil von uns gespiesen, ebenso die Doppelschau 
Füssli/Sergel im Nationalmuseum Stockholm, zu der 
9 Gemälde und 41 Zeichnungen reisten. Die Graphische 
Sammlung lieferte, z. T. ergänzt mit einzelnen Skulpturen 
oder Bildern, komplette Ausstellungen nach Ittingen 
(Goya), Locarno (Auberjonois), Bonn und Frankfurt 
(Giacometti). Mit nicht weniger als sechs Gemälden, von 
denen vier auch in der Sammlung leider nur Leihgaben 
sind, beteiligte sich das Kunsthaus an der Amsterdamer 
Van Gogh-Jubiläumsausstellung.
	        
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