Anfängen entschieden abgesetzt hatte. Seine Malerei
verweist nur auf sich selbst; sie will nichts «darstellen», was
sich ausserhalb ihrer selbst befindet. Sie ist anti-illusioni-
stisch und ohne traditionelle «Komposition». An die Stelle
der hierarchischen Gliederung der Bildgegenstände sind
seine Strukturen getreten, in denen die Einzelformen
ihre Funktion erst im bildnerischen Zusammenhang
srlangen.
In «Correspondent» ist die Stärke des Pinsels bei allen
übereinandergelegten und sich durchkreuzenden Farb-
bahnen die gleiche. Das trägt zu dem gleichmässigen
Rhythmus bei, der mit unglaublicher Konzentration über
die grosse Fläche hinweg durchgehalten ist und erst zu
den Bildrändern hin frei ausläuft. Hier tritt die etwas
grauere Grundierung deutlicher in Erscheinung, die sonst
infolge des dichten Oberflächengewebes bei der Farb-
wirkung relativ wenig mitspielt. Den einzigen Kontrast zu
der reliefartigen Struktur — und immer wieder wird der
Blick von diesem Angelpunkt angezogen — bildet die
flache, mit der Schablone gemalte Datierung «89», die
direkt auf die Grundierung aufgetragen ist. An dieser
Stelle wird die Tiefe des Bildes und damit sein Objekt-
charakter betont. In ähnlicher Weise hatte Ryman bereits
Ende der fünfziger Jahre die Datierung oder seine Signatur
als Bildelement einbezogen.? Es ist vielleicht nicht von
ungefähr, dass er mit der malerischen, reliefhaften Struktu-
rierung von «Correspondent» ebenfalls auf frühe Werke
zurückkommt.?
Im Zuge seiner Untersuchung von Malerei bringt
Ryman seit 1976 auch die Befestigungsvorrichtung als
Bildelement ein. Jeder Teil eines Bildes ist für ihn von
visueller Bedeutung. «Correspondent» ist mit zwei Stahl-
schienen an der Wand befestigt, die nach oben und unten
über das Bild hinausragen und das Licht in anderer Weise
reflektieren als die Malerei. Sie sind so montiert, dass das
Werk 9 cm von der Wand absteht. Mit dem Hineinragen
in den Raum und mit der Einfassung durch das Metall,
das oben an einigen Stellen weiss bemalt ist, bekommt das
Bild ausgesprochenen Objektcharakter. Die Aufhängung
muss den genauen Instruktionen des Künstlers folgen
und darf unter keinen Umständen verändert werden: «The
aesthetic integrity of this painting by Robert Ryman
depends upon its being installed according to the
accompanyıng instructions», steht auf der Rückseite des
Bildes. Denn seine Bilder existieren in seinen Augen erst,
wenn sie als Teil der Wand, als Teil des Raums an der Wand
installiert sind. Erst dann kann das Werk in seiner
ganzen Ausstrahlung wahrgenommen werden. Erst dann
kann der Betrachter den schwingenden, tänzerischen
Rhythmus von «Correspondent» emotionell nachvoll-
ziehen und die Sinnlichkeit der vielfältigen Farbstruk-
turen, in denen mehr als nur Weiss aufzuschimmern
scheint, unmittelbar erleben.
Ursula Perucchi-Petri
Anmerkungen
1Siehe Jahresbericht der Zürcher Kunstgesellschaft 1985, Abb. 18 und
S. 96-99
) Als Ergänzung dazu befindet sich in unserer Graphischen Sammlung
das 1980 erworbene Hauptwerk seines graphischen (Euvres: 30 Probe-
drucke sowie ein Exemplar der endgültigen Edition von «Circle Litho-
graph», 1971 (vgl. Jahresbericht der Zürcher Kunstgesellschaft 1980,
Abb. 19 und S. 95-98)
Zitiert nach Ausstellungskatalog Robert Ryman. Whitechapel Art
Gallery, London 1977, S.1
Ich danke unserem Restaurator, Herrn Hans Peter Marty, für freundliche
fachspezifische Auskünfte
Phyllis Tuchmann. An Interview with Robert Ryman, in: Artforum,
Mai 1971, 5. 15, zitiert von Christel Sauer, in: Robert Ryman. Ink. Halle
für internationale neue Kunst, Zürich 1980
Aus Interview mit Barbaralee Diamonstein, 13. Oktober 1977, in: Inside
New York’s Art World 1979
’ebenda
Katalog Robert Ryman. Ink. Halle für internationale neue Kunst, Zürich
980, Abb. 5.27 «Untitled», 1958 oder Abb. S. 31 «Untitled», 1959
Auf die Frage von Yve-Alain Bois, ob es vielleicht einen Zusammenhang
gäbe zwischen «a certain ‘return’ to his problematics of the late ‘50s» in
einigen neuen Werken aus der Ausstellung der Pace Gallery 1990 (in der
auch «Correspondent» gezeigt wurde) und der Tatsache, dass er gerade
für eine Retrospektive in der Dia Art Foundation seine früheren Bilder
intensiv habe durchsehen müssen, antwortete Ryman nur in der für
ihn charakteristischen Zurückhaltung «that he had not ‘thought of
ıt that way’.» (Katalog The Pace Gallery, New York 1990. Abb. 1)