Full text: Jahresbericht 1991 (1991)

AUSSTELLUNGEN 
Amedeo Modigliani 
Was eine schöne Ausstellung zum Sehen und zum Geniessen 
hätte sein können, wurde leider auch eine Ausstellung zum 
Reden. Nach dem Grosserfolg der Sommerausstellung 
1990 in der Fondation Pierre Gianadda, Martigny, und der 
Begeisterung, welche die von Werner Schmalenbach für die 
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, mit 
Sinn und Beschränkung auf «Qualität» zusammengestellte 
Auswahl, bei Publikum und Presse ausgelöst hatte, kam der 
frostige bis feindliche Empfang für Modigliani in Zürich 
doch eher überraschend. Daran ist viel herumgerätselt 
worden, neben Pressepolemiken vor allem während eines 
Diskussionsabends, wo sich bald Publikum und Kunst- 
kritik gegenüberstanden. 
Ein Maler für den anspruchslosen Geschmack? Oder 
gar nahe am Kitsch? Dabei haben die rund siebzig, für 
Zürich etwas ergänzten Gemälde, die wenigen Skulpturen 
und sechzig zwischen 1908 und 1919 entstandenen Zeich- 
nungen eine Revision im Sinn gehabt. Die Revision eines 
Vorurteils, dass da einer das immer gleiche Porträt gemalt 
und eigentlich nichts erfunden habe, als sei «Erfindung» 
lediglich eine Frage von Stilneuheit. Modiglianis 
Menschendarstellung, die das Gegenüber ın bewusster 
Distanz belässt und ihm irgendwie «hoheitsvoll» begegnet, 
dieses dem Expressionismus so gegenläufige, der Zerstört- 
heit und Verwirrung seiner Zeit wie seines eigenen Lebens 
so entgegengesetzte Kunstwollen war als Grundstimmung 
seines (Euvres gerade in Schmalenbachs magistraler 
Zusammenstellung evident. Das Zeitlose nicht als Flucht, 
sondern als Gegenwelt in künstlerischer und künstlicher 
Überhöhung. Vielleicht war im Kern der am Expressiven 
geschulte Kunstsinn gerade auch des Deutschschweizer 
Bildungsbürgers daran beteiligt, dass die Missverständnisse 
um diesen Künstler auch dann munter weiterreproduziert 
wurden, wenn alles Biographische und allzu Gefällige 
bewusst eliminiert wurde, und so für viele die Chance 
vertan war, den vielleicht bedeutsamsten Maler «von Liebe 
und Freundschaft» unseres Jahrhunderts an seinen besten 
Werken zu studieren. Zuschriften und viele private Reak- 
tionen haben indessen gezeigt, dass trotz des öffentlichen 
Kreuzzugs gegen Modigliani der Wesenskern seiner 
Botschaft — die Unversehrtheit und Würde des einzelnen 
Menschen — auch im Jahr des Golfkriegs angekommen 
ist. GM 
Nam June Paik - Video Space, 1962-1991 
Bereits im Jahr 1982, als das Kunsthaus im Graphischen 
Kabinett die «Video Sculptures» der japanisch-amerikani- 
schen Videokünstlerin (und Ehefrau Nam June Paiks) 
Shigeko Kubota zeigen konnte, entstand die Idee, das Werk 
des koreanisch-amerikanischen Pioniers dieser Kunstform 
umfassend vorzustellen. Nachdem 1989 sein frühes, einer 
aggressiv-kritischen «Fluxus»-Haltung verpflichtete Schaf- 
fen innerhalb des in den Erdgeschossräumen gezeigten 
Überblicks «Videoskulptur, retrospektiv und aktuell, 
1963-1989» nur am Rande einbezogen worden war, sollte 
die Ausstellung im Grossen Saal nun dessen Videoinstalla- 
tionen von 1962-1990 dokumentieren und gleichzeitig das 
jüngste Werk, «My Faust», 1989-1991. in einer Weltpremiere 
vorstellen. 
Paiks wichtigster Beitrag zur zeitgenössischen Kunst — 
von den mittlerweile vier von ihm zusammengestellten 
und organisierten Satelliten-TV-Sendungen abgesehen — 
sind die mehrkanaligen sogenannten Multi-T V-Installa- 
tionen, die im Mittelpunkt der ersten grossen Schweizer 
Museumsausstellung standen. Am Beginn dieser Werk- 
reihe stehen die technisch noch relativ einfachen Installa- 
tionen «TV Clock», 1963, und «Moon Is the Oldest TV», 
1965, die für die Zürcher Ausstellung rekonstruiert wor- 
den sind. Über so bekannte Werke wie den «TV Garden», 
in dem Paik 1974 erstmals mit der Bildröhre gegen oben 
strahlende TV-Geräte mit der «Natürlichkeit» lebender 
Pflanzen verband, reicht diese Reihe bis zur dreizehntei- 
ligen Videoskulptur «My Faust», in der Paik dreizehn welt- 
weit relevante Themenbereiche (wie Weltwirtschaft, 
Gesundheitswesen, Ökologie, Kommunikation usw.) mit
	        
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