AUSSTELLUNGEN
Amedeo Modigliani
Was eine schöne Ausstellung zum Sehen und zum Geniessen
hätte sein können, wurde leider auch eine Ausstellung zum
Reden. Nach dem Grosserfolg der Sommerausstellung
1990 in der Fondation Pierre Gianadda, Martigny, und der
Begeisterung, welche die von Werner Schmalenbach für die
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, mit
Sinn und Beschränkung auf «Qualität» zusammengestellte
Auswahl, bei Publikum und Presse ausgelöst hatte, kam der
frostige bis feindliche Empfang für Modigliani in Zürich
doch eher überraschend. Daran ist viel herumgerätselt
worden, neben Pressepolemiken vor allem während eines
Diskussionsabends, wo sich bald Publikum und Kunst-
kritik gegenüberstanden.
Ein Maler für den anspruchslosen Geschmack? Oder
gar nahe am Kitsch? Dabei haben die rund siebzig, für
Zürich etwas ergänzten Gemälde, die wenigen Skulpturen
und sechzig zwischen 1908 und 1919 entstandenen Zeich-
nungen eine Revision im Sinn gehabt. Die Revision eines
Vorurteils, dass da einer das immer gleiche Porträt gemalt
und eigentlich nichts erfunden habe, als sei «Erfindung»
lediglich eine Frage von Stilneuheit. Modiglianis
Menschendarstellung, die das Gegenüber ın bewusster
Distanz belässt und ihm irgendwie «hoheitsvoll» begegnet,
dieses dem Expressionismus so gegenläufige, der Zerstört-
heit und Verwirrung seiner Zeit wie seines eigenen Lebens
so entgegengesetzte Kunstwollen war als Grundstimmung
seines (Euvres gerade in Schmalenbachs magistraler
Zusammenstellung evident. Das Zeitlose nicht als Flucht,
sondern als Gegenwelt in künstlerischer und künstlicher
Überhöhung. Vielleicht war im Kern der am Expressiven
geschulte Kunstsinn gerade auch des Deutschschweizer
Bildungsbürgers daran beteiligt, dass die Missverständnisse
um diesen Künstler auch dann munter weiterreproduziert
wurden, wenn alles Biographische und allzu Gefällige
bewusst eliminiert wurde, und so für viele die Chance
vertan war, den vielleicht bedeutsamsten Maler «von Liebe
und Freundschaft» unseres Jahrhunderts an seinen besten
Werken zu studieren. Zuschriften und viele private Reak-
tionen haben indessen gezeigt, dass trotz des öffentlichen
Kreuzzugs gegen Modigliani der Wesenskern seiner
Botschaft — die Unversehrtheit und Würde des einzelnen
Menschen — auch im Jahr des Golfkriegs angekommen
ist. GM
Nam June Paik - Video Space, 1962-1991
Bereits im Jahr 1982, als das Kunsthaus im Graphischen
Kabinett die «Video Sculptures» der japanisch-amerikani-
schen Videokünstlerin (und Ehefrau Nam June Paiks)
Shigeko Kubota zeigen konnte, entstand die Idee, das Werk
des koreanisch-amerikanischen Pioniers dieser Kunstform
umfassend vorzustellen. Nachdem 1989 sein frühes, einer
aggressiv-kritischen «Fluxus»-Haltung verpflichtete Schaf-
fen innerhalb des in den Erdgeschossräumen gezeigten
Überblicks «Videoskulptur, retrospektiv und aktuell,
1963-1989» nur am Rande einbezogen worden war, sollte
die Ausstellung im Grossen Saal nun dessen Videoinstalla-
tionen von 1962-1990 dokumentieren und gleichzeitig das
jüngste Werk, «My Faust», 1989-1991. in einer Weltpremiere
vorstellen.
Paiks wichtigster Beitrag zur zeitgenössischen Kunst —
von den mittlerweile vier von ihm zusammengestellten
und organisierten Satelliten-TV-Sendungen abgesehen —
sind die mehrkanaligen sogenannten Multi-T V-Installa-
tionen, die im Mittelpunkt der ersten grossen Schweizer
Museumsausstellung standen. Am Beginn dieser Werk-
reihe stehen die technisch noch relativ einfachen Installa-
tionen «TV Clock», 1963, und «Moon Is the Oldest TV»,
1965, die für die Zürcher Ausstellung rekonstruiert wor-
den sind. Über so bekannte Werke wie den «TV Garden»,
in dem Paik 1974 erstmals mit der Bildröhre gegen oben
strahlende TV-Geräte mit der «Natürlichkeit» lebender
Pflanzen verband, reicht diese Reihe bis zur dreizehntei-
ligen Videoskulptur «My Faust», in der Paik dreizehn welt-
weit relevante Themenbereiche (wie Weltwirtschaft,
Gesundheitswesen, Ökologie, Kommunikation usw.) mit