dass auch diese Blätter zum überwiegenden Teil in Vernis-
mou ausgeführt sind, einer graphischen Technik also, die
der Künstler als Zeichner angehen konnte. Die frei gezo-
gene Linie ist bei ihm nicht von vornherein mit Bedeutung
belegt; sie ist eine Energieform, die beiläufig Figuren
hervorbringt. Vorgegebene Strukturen, in die nach und
nach Figürliches hineinprojiziert werden kann, setzten
Thomkins Kreativität in Gang. Sie waren für ıhn Versatz-
stücke, die etwas auslösten, was latent in der Erinnerung
vorhanden war und was im Hineinsehen und im Interpre-
tieren dieser Strukturen zum Vorschein kam.
Es ist uns ein Anliegen, Werke aus der Graphischen
Sammlung, die normalerweise in Schachteln und
Schränken aufbewahrt werden, von Zeit zu Zeit einem grös-
seren Publikum zugänglich zu machen. So stellten wir in
dem Sammlungsheft «Von Leibl bis Pechstein», das zur
gleichnamigen Ausstellung im Graphischen Kabinett
erschien, zum grossen Teil unveröffentlichte Zeichnungen
von elf deutschen Künstlern aus dem Zeitraum von 1880 bis
1930 vor. Diesen Schwerpunkt der Graphischen Sammlung
verdanken wir vor allem der gezielten Ankaufspolitik des
ersten Kunsthaus-Direktors, Wilhelm Wartmann, der in
den zwanziger und dreissiger Jahren den Grundstein für die
Gruppe der deutschen Zeichnungen legte. Besonders
umfangreiche Bestände kamen bei Corinth, Liebermann
und Kirchner zustande. In Liebermanns Werk nehmen die
Zeichnungen eine Schlüsselstellung ein. Er bereitete seine
Bilder durch vielfältige Einzelstudien vor: angefangen von
den frühen, mit Sachlichkeit und Genauigkeit gezeich-
neten Blättern mit arbeitenden Menschen bis zu den
späten Pleinair-Szenen der Gartenwirtschaften, in denen er
als Impressionist das Licht in der Zeichnung einzufangen
sucht. Corinths Zeichnungen, die mythologische und
biblische Themen in sehr persönlicher Weise interpre-
tieren, sind meist vorbereitende Studien zu seinen Bildern
und graphischen Arbeiten; sie wirken jedoch in ihrer
Unmittelbarkeit oft intensiver als die endgültigen Werke.
Eine besondere Rarität stellt das «Odi profanum» dar, das
in unserem Sammlungsheft zum ersten Mal vollständig
publiziert wurde. Es handelt sich um den 1906 entstan-
denen dritten Band des nur noch teilweise erhaltenen
Stammbuches der «Brücke»-Künstler, mit Zeichnungen
von Bleyvl. Pechstein und den etwas späteren «Viertelstun-
denakten» von Kirchner, die sich von der akademischen
Tradition absetzen und eine spontane und expressiv verein-
fachende Formensprache entfalten. Die wissenschaftliche
Bearbeitung der Zeichnungen verdanken wir Frau Annette
Nolte-Jacobs, die diese Arbeit im Rahmen eines Volonta-
riats an der Graphischen Sammlung des Kunsthauses
durchführen konnte. Die Redaktion des Sammlungsheftes
lag in den Händen von Bernhard von Waldkirch, dem
wissenschaftlichen Mitarbeiter der Graphischen Samm-
lung. UP
BIBLIOTHEK
1991 beobachteten wir in der Kunsthausbibliothek eine
starke Zunahme von Videointeressierten; es wurden 342
Tapes visioniert, gegenüber 194 ım Vorjahr. Besonderes
[nteresse an unserer etwa 350 Bänder von internationalen
Künstlern umfassenden Videothek, die eine der grössten ın
Europa ist, zeichnete sich während der Ausstellung «Nam
June Paik» im Kunsthaus Zürich ab. Vermehrt sahen sich
auch Gruppen im Lesesaal und im kleinen Vortragssaal
Videobänder an, so z. B. Klassen der F + F-Schule Zürich,
der Schule für Gestaltung Luzern, der Waldorf-Schule
Überlingen. In Zusammenhang mit den Bestrebungen zur
Schaffung einer Klasse für Film und Video an der Schule
für Gestaltung der Stadt Zürich wurden bereits mehrere
Gruppen an das Medium Video herangeführt.
Um allgemeine Beobachtungen zur Veränderung
unserer Benutzerstruktur statistisch zu erhärten, führten
wir 1991 eine Erhebung durch. Das Resultat zeigte auf, dass
die Studenten der Universität Zürich einen Anteil von 40%
unserer Leser bilden; die übrigen 60% setzen sich
zusammen aus Mitgliedern der Zürcher Kunstgesellschaft,
aus Schülern, Medienschaffenden und Studenten der ETH
Zürich. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass in der Kunst-
hausbibliothek in den letzten Jahren immer mehr direkte