GRAPHISCHE SAMMLUNG
ANKÄUFE UND GESCHENKE
Die in der letzten Zeit gesunkenen Preise auf dem Kunst-
markt kamen auch unseren diesjährigen Ankäufen zugute.
So konnte unsere Sammlung amerikanischer Kunst der
siebziger und achtziger Jahre, insbesondere der Minimal
und Concept Art, durch den Ankauf des 1991 entstan-
denen Portfolios mit 4 Holzschnitten von Donald Judd
erweitert werden. Der Künstler knüpft damit an die eben-
falls in unseren Beständen vertretenen frühen Holzschnitte
der sechziger Jahre an, deren geometrische Formensprache
er konsequent weiterführt. «Ich glaube, dass einer der
Gründe, weshalb meine Sachen geometrisch sind», meinte
er einmal, «der ist, dass ich will..., dass sie nicht-naturali-
stisch, nicht-bildlich und nicht-expressionistisch sind.»
Von Bruce Nauman ergänzten wir unsere kontinuierlich
angewachsene Sammlung mit einem graphischen Blatt
«Small Carousel» 1988, das mit der letztes Jahr gekauften
Serie von Tierkarussells in Zusammenhang steht und in
dem ebenfalls «enthäutete» und verstümmelte Tiere, im
Raum hängend, in ihrem Ausgeliefertsein Betroffenheit
auslösen. Eine frühe Zeichnung desselben Künstlers
«4 films — 4 rotating prisms in a room» 1970 (Abb. 13)
gehört in den Umkreis seiner Projekte für Korridore und
zimmerartige Räume, die als Stätten physischer und psy-
chischer Erfahrung gedacht sind (vgl. beispielsweise unsere
1988 gekaufte Zeichnung für einen akustischen Korridor).
In dem vorliegenden Projekt sind in einem Raum längs der
vier Wände auf halber Höhe rotierende prismatische
Körper angeordnet, deren Durchdringungen an den Eck-
punkten entsprechend der gegenläufigen Bewegung der
Prismen immer wieder neue Konstellationen schaffen. Sie
erinnern an die sich nach verschiedenen Seiten öffnenden,
dreieckigen Querschnitte mancher Skulpturen der sieb-
ziger Jahre. Da die Bewegungen von 4 Kameras gefilmt
werden, könnte man sich vorstellen, dass Nauman sie für
den Besucher nur ausserhalb des Raumes — z.B. auf Moni-
toren — sichtbar werden lassen wollte.
In Ergänzung zu den bisherigen graphischen Blättern,
vor allem zu dem vor zwei Jahren gekauften Mappenwerk
«5 + 1» von Helmut Federle, erwarben wir dessen neue
Lithographie von 1991, die der Kunstverein Münster als
Jahresgabe herausgegeben hat. Damit besitzen wir das bis
jetzt noch schmale graphische Werk dieses Künstlers fast
vollständig. Auch von anderen Schweizer Künstlern, die
bereits in der Graphischen Sammlung vertreten sind,
konnten wir neuere Werke dazukaufen, so von Stephane
Brunner, Pierre Haubensak, Ilona Ruegg und Albrecht
Schnider.
Die Bestände an zeitgenössischen deutschen Zeich-
nungen wurden mit einer eindrücklichen Tuschzeichnung
von Gerhard Richter ergänzt (Abb.12). Von diesem
Künstler hatten wir bereits 1979 eine umfangreiche Gruppe
druckgraphischer Arbeiten erworben, in denen Richter —
entgegen dem bisherigen Verständnis von Originalgraphik
— mit photomechanischen Verfahren, wie Heliogravüre,
Iffset oder Lichtdruck, arbeitete. Damit fand er ein adä-
quates Mittel für sein auch in der Malerei verfolgtes
Bestreben, das «Handschriftliche» und die subjektive Geste
auszuschalten und das «Objektive» und «Anonyme» zur
Darstellung zu bringen. Allerdings bewirkten sehr freie
künstlerische Manipulationen die Verwandlungen der Vor-
lage, beispielsweise führte die Montage verschiedener
Photos oder ihre Umkehrung zu vom Betrachter bewusst
erlebten «Störungen». In der neuerworbenen Zeichnung
«Kugel» von 1991 führt Richter in die anonyme Mal-
struktur, wie sie viele seiner Bilder der letzten Jahre
bestimmt, ein plastisches, gegenständliches Element ein.
Eine solche aus einem Projekt mit Polke stammende Kugel
lag lange auf seinem Schreibtisch, heisst es, bevor er sie als
Multiple ausführen liess, erst in kleinerer Form und neuer-
dings als grosse Kugel, wie man sie bei seiner diesjährigen
Ausstellung im Nietzsche-Haus in Sils-Maria sehen
konnte. Niedergelegt im Schlafzimmer des Philosophen,
wurde sie dort in Anlehnung an Nietzsches Vorstellungen
des Zyklus’ «des fortwährend sich drehenden Kreises,