SAMMLUNG
Am 15. Juni 1992 starb David Maurits Koetser, der 1986
durch die Stiftung seiner Sammlung von Gemälden alter
Meister zum bedeutendsten Wohltäter unseres Museums
wurde; seines Lebens und seiner Verdienste wird an anderer
Stelle dieses Jahresberichtes gedacht (S. 32). Noch kurz vor
seinem Tode schenkten er und seine Gattin Betty der Stif-
tung ein Stilleben von Jan Davidsz de Heem, das schon
länger als Leihgabe in den seiner Sammlung gewidmeten
Sälen hing. Die Übergabe erfolgte anlässlich seines 83. Ge-
burtstages, den er noch zusammen mit seinen Freunden
inmitten seiner geliebten Bilder feiern konnte. Das
makellos erhaltene Gemälde entsprach seiner Idealvorstel-
lung von Vollendung in besonderem Masse; in Rot, Blau
und Gold juwelenhaft leuchtend, dominiert durch die
geistreiche Fügung der Komposition und das verklärende
Licht doch die künstlerische Aussage ganz über Inhalt und
iusserlichen Prunk.
[m Berichtsjahr durfte das Kunsthaus aus den Nach-
lässen von Verena Timossi, Erich Degen und Roman
Clemens die für die Sammlung geeignet erscheinenden
Gemälde aussuchen.
Als das interessanteste Objekt erwies sich ein irrtümlich
Francesco Cipper zugewiesenes, unbekanntes Bild von
Matthias Stom. Dieser niederländische Künstler, der früh
in den Bannkreis Caravaggios kam und nach Aufenthalten
in Rom und Neapel den Grossteil seines Werkes in Sizilien
schuf, ist in der Stiftung Koetser bereits mit einem Früh-
werk und der «Befreiung Petri», vielleicht seiner glück-
lichsten und repräsentativsten Schöpfung, vertreten; das
unge Paar, das beim Licht einer Öllampe eine kleine Mahl-
zeit zu sich nimmt, rundet nun als eine besonders erfreu-
‚che seiner seltenen Genreszenen dieses Ensemble treff-
ich ab.
Bereits vor fünf Jahren konnte mit der Erwerbung von
Angelica Kauffmanns «Amor und Psyche» die repräsenta-
tive Auswahl barocker Historienmalerei, die mit der Stif-
tung Koetser ins Kunsthaus gelangte, in den Klassizismus
fortgeführt und zugleich eine Verbindung zu unseren
schweizerischen Beständen und insbesondere zu Johann
Heinrich Füssli geknüpft werden. Nun erlaubten es sehr
grosszügige Spenden von Frau Annette Bühler, Frau Annie
Bodmer-Abegg und der Ernst-Göhner-Stiftung, ein lange
verschollenes Hauptwerk des deutschen Klassizismus,
Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins «Brutus entdeckt die
Namen seiner Söhne auf der Liste der Verschwörer und ver-
urteilt sie zu Tode», für die Vereinigung Zürcher Kunst-
‘reunde zu erwerben. Das Gemälde vertritt nicht nur den
strengen, moralischen, archäologischen Hochklassizismus
aufs reinste und situiert dadurch die exzentrische,
«moderne» Kunst Füsslis in ihrem europäischen Kontext
neu und exakt, sondern es ist, erstaunlich genug, in Auffas-
sung und Inhalt durch den Zürcher Aufenthalt Tischbeins
und die geistigen Anregungen, die er hier von Bodmer,
Lavater und von Füsslis Werken erhielt, massgeblich mit-
geprägt.
Während das Erscheinen von Tischbeins Brutus-Bild
eine ähnliche Überraschung wie die vor wenigen Jahren
für das künstlerische Erbe Zürichs zurückgewonnenen
Tafeln des älteren Zürcher Nelkenmeisters und des jün-
zgeren Hans Leu bildete, stand eine Landschaft mit Gen-
fersee und Montblanc aus Hodlers letzter Serie, die er
dereits schwer krank aus den Fenstern seiner Wohnung bei
Sonnenaufgang oder gegen Abend malte, schon lange auf
der Wunschliste des Kunsthauses. Das Gemälde, das nun
der Holenia Trust im Andenken an Joseph H. Hirshhorn
schenkte, zeigt die erhaben über dem See ruhende Gebirgs-