Quaderform wiederherstellende Gestein in stärkerem
Masse als die gesättigten antiken Wannen. Das Oliven-
öl, Konzentrat der neben dem Weinbau weitest verbreiteten
Nutz-Vegetation rund um das Mittelmeer, wird somit
zum Sinnbild der lebensspendenden Kraft, die alles, auch
die verkrustetsten Strukturen durchdringt, das anarchische
Prinzip, das sich nicht formen, d. h. bändigen lässt und
wohl auch das weibliche Prinzip, das Leben und nicht
männlich steriles Ordnungs-, hier auch Hierarchiedenken
spiegelt. Spiegelt im wörtlichen Sinn, denn in der schim-
mernden Ölschicht über dem locker behauenen Stein mag
sich der Betrachter Narziss gleich selbst erkennen: «Gnoti
sauton» — erkenne dich selbst in deiner untrennbaren
Verstrickung zwischen Leben und Tod, zwischen ratio-
nalem, letztlich tödlichem Streben nach Ordnung und
nicht zu steuernder chaotischer, lebensvoller Lust. Beides
gehört in gleichem Masse zu Olivestone: die strenge Rekt-
angularität der Steinquader wie das nicht zu steuernde,
Reinigungspersonal wie Restauratoren horrifizierende
Fliessen des Öls. Wobei eines noch erwähnt werden
muss: der Stein, das Prinzip der Leblosigkeit oder eben des
Todes überdauert; das Öl — Verkörperung des Lebens —
muss sorgsam behandelt, von Zeit zu Zeit nachgefüllt
werden.
Die Entstehungsgeschichte von “‘Olivestone’ ist in
hohem Masse mit der Eröffnungsausstellung des Castello
di Rivoli bei Turin verbunden. Innerhalb dieser am 18.
Dezember 1984 inaugurierten Mostra dell’Arte Contempo-
ranea «Quverture» wurde ‘Olivestone’ erstmals installiert,
und zwar in einem Saal im zweiten Obergeschoss des
Castello nonfinito, dessen Statik die Positionierung der
gewichtigen Steinblöcke (der grösste wiegt über 2 Tonnen)
weitgehend festgelegt hat. Beuys hat diese Auflagen akzep-
tiert, das Resultat war eine sehr lockere, nicht rektanguläre
Verteilung der Blöcke, die nur die eine Hälfte des Saales
beanspruchte. Da dessen Wände von einer spielerisch
leichten, ornamentalen Dekorationsmalerei, allerdings in
einem stellenweise ruinösen Erhaltungszustand, über-
zogen waren, ergab sich eine sehr harmonische, «maleri-
sche» Gesamtwirkung, indem sich die Farbigkeit der Steine
mit den Wandtönen in natürlicher Weise verband: die
Steine schienen sich in dieser historisierenden Situation
wohl zu fühlen.
Beuys wusste, dass diese Installation nicht die endgül-
tige sein würde. Nachdem das Museo di Rivoli die Frist des
Vorkaufsrechts ungenutzt hatte verstreichen lassen, erteilte
er, einer entsprechenden Anfrage von Harald Szeemann
folgend, sein Einverständnis, dass das Werk im Kunsthaus
Zürich eine definitive Bleibe finden möge. Dass dies erst im
Mai 1992 — und damit mehr als sechs Jahre nach dem Tod
des Künstlers — der Fall war sein würde, war damals keines-
wegs voraussehbar. Voraussehbar war hingegen von Anfang
an, dass die Skulptur, andernorts plaziert, eine wesentlich
andere Ausstrahlung entwickeln würde.
Als beste Kennerin des Werkes, die dessen ganzen
Entstehungsprozess mitverfolgt hat und die mit den
Gedankengängen von Beuys aufs innigste vertraut war, hat
Lucrezia de Domizio die Zürcher Präsentation bestimmt.
Da die Anordnung der fünf Einzelteile ın Rivoli statische
Gegebenheiten zu berücksichtigen hatte, stand fest, dass
eine Imitation der ursprünglichen Disposition wenig Sinn
machen würde. In der Überzeugung, dass sich Beuys stets
von den örtlichen Gegebenheiten anregen liess und auf
deren besondere Atmosphäre einzugehen trachtete, hat
sich die Schenkgeberin bemüht, eine spezifisch zürcheri-
sche Situation zu schaffen. Im Klartext heisst dies: Sie hat
die Steine in wohl erwogener, gleichmässiger Ponderation
zueinander in Beziehung gesetzt, den rechten Winkel
streng beachtend. Kein Einzelteil soll die anderen domi-
nieren, die Skulptur ist als Ganzes und in sich Geschlos-
senes einer Ellipse gleich wahrzunehmen. Der «maleri-
sche», arhythmische Aspekt von Rivoli ist somit kühlerer,
nordischerer Rationalität gewichen, die Steine heben sich
schroff gegenüber den weiss gestrichenen Wänden ab —
aber ihre voluminöse Plastizität, vielleicht auch wegen der
strafferen räumlichen Konzentration, tritt gegenüber der
Erstpräsentation viel deutlicher in Erscheinung. Man ist
versucht zu sagen: in Zürich ist die Installation zu einer
wahrhaften Skulptur geworden — was zweifellos dem
Charakter des Werkes entspricht, ist doch ‘Olivestone‘
nicht wie so häufig im Werk von Beuys das manifeste Relikt
einer vorangegangenen Aktion, sondern von Anfang an als
eigenständige Skulptur konzipiert worden.
Damit verbindet sich dieses Werk mit der beinahe
gleichzeitigen, vielgliedrigen Steinskulptur «Das Ende des
20. Jahrhunderts», in der jeder einzelne, liegende Basalt-