das betonte Herausarbeiten des Gesichtes als frontale
Fläche mitverantwortlich gewesen sein, doch auch dieser
Aspekt wirkt als ganz gezielt eingesetzter künstlerischer
Ausdruckswert. Das monumentale Haupt, dem weder das
eher Konventionelle wenig später entstandener Portrait-
köpfe noch das gesucht Experimentelle anderer derartiger
Arbeiten eignet, deutet auf eine sehr bewusste, gezielt
repräsentative Darstellung seiner Persönlichkeit.
Trotz der offensichtlichen Bedeutung der Skulpturist sie
relativ unbekannt geblieben. Im Gegensatz zu den meisten
frühen Werken Giacomettis hat sie nämlich schon früh sein
Atelier verlassen: 1927 schenkte er sie — wohl im Rahmen
eines Austausches — einem Künstlerfreund: Hans Stocker.
Sie hatten sich bereits 1919 in Genf kennengelernt, nach
dessen Übersiedlung nach Paris 1925 intensivierte sich der
Kontakt. Er gehörte zu den grossen Erneuern der schweize-
rischen Glasmalerei; besonders bekannt sind seine
Arbeiten für Karl Mosers Antoniuskirche in Basel. Dass
sein Schaffen bisher in der breiten Sammlung Schweizer
Malerei der Zwischenkriegszeit im Kunsthaus nicht ver-
treten war — wie übrigens auch dasjenige seines nicht
minder begabten Bruders Coghuf —, muss als bedauerliche
Lücke bezeichnet werden, die nun dank eines grosszügigen
Geschenkes der Kinder des Künstlers aufs Sinnvollste
geschlossen wurde. Denn 1930 machte dieser das Selbst-
bildnis Albertos zum Gegenstand eines Skulpturen-Still-
lebens —eine seltene, sowohl vom Vater wie vom Sohn Gia-
cometti gepflegte Gattung. Die Umsetzung ist meisterhaft;
wie in der Körperhaftigkeit der Malsubstanz die materielle
Dichte der Skulptur erfasst, wie in der Zeichnung der ste-
reometrische Aufbau analysiert wird, zeugt von tiefem Ver-
ständnis und gibt dem mehr an Malerei als an Plastik
gewöhnten Betrachter eine Anleitung, wie er das Werk
wahrzunehmen hat.
Wenn wir uns nun der näheren Analyse des Selbstbild-
nis-Kopfes zuwenden, brauchen wir nur die anderen
Werke, die in der Giacometti-Stiftung um ihn versammelt
sind, vergleichend zu betrachten, um seine Bedeutung zu
erfassen. Zunächst hängt da das vier Jahre früher entstan-
dene, ähnlich gewichtige gemalte Selbstportrait; das
jugendlich schlankere Gesicht des Zwanzigjährigen gleicht
noch stärker ägyptischen Köpfen — ein Zug, der auch
Stocker stark herausgearbeitet hat. Vor allem aber fällt auf,
mit welcher Strenge und Stringenz Giacometti in beiden
Werken die Gesetzmässigkeiten des jeweiligen Mediums
zur Geltung bringt. Der exakten, orthogonalen Einfügung
des Malers in das Rechteck der Bildfläche entspricht die
ebenso konsequente Komposition des Kopfes aus den drei
plastisch sehr klar artikulierten und gegeneinander
gesetzten Elementen des Halses, des Gesichtes und der
Haarkalotte. In beiden Fällen erreicht Alberto die elemen-
tare Form durch die Aneignung archaischer Vorbilder: im
Gemälde dient ihm das frühgriechische Knielaufschema
dazu, das vor allem durch die Medusa vom Giebel des Arte-
mis-Tempel in Korfu bekannt wurde. Bei der Skulptur
mögen die drei Linien bei den Ohren auf die Locken-
strähnen der Kuroi aus der gleichen Epoche verweisen,
doch wie es einem reiferen Werk entspricht, ist die Bezie-
hung zu den Vorbildern hier weniger direkt, in einer noch
zu bestimmenden Weise künstlerisch stärker umgesetzt.
Sowohl im Bild und noch markanter in der Plastik erzielt
Giacometti durch - geringfügige, sehr präzise Abwei-
chungen vom selbst gesetzten «Gesetz» jene lebensvolle
Spannung, in der sich der Meister am klarsten zu erkennen
gibt. So kann das Selbstbildnis von 1921 in einem ähnlichen
Sinne wie der Kopf von 1925 als Meisterstück betrachtet
werden. Löste sich mit diesem der Bildhauergeselle von
Bourdelle, so mit jenem der Malerlehrling von seinem
Vater —beiden zeigte er damit, dass er ausgelernt hatte, was
es für ihn bei ihnen zu lernen gab. Und bei beiden knüpfte
er dazu nicht an ihre letzten, während seiner Lehrzeit ent-
standenen Werke an, sondern an frühere, die ihm bedeu-
tender erschienen: bei Giovanni an die kühnen Konstruk-
tionen aus Farbflächen aus der Zeit des grossen Familien-
bildes Die Lampe, bei Bourdelle an den streng durchgestal-
:eten, grossformigen Kopf Apolls von 1900, mit dem sich
dieser selbst von dem Impressionismus seines Lehrers
Rodin gelöst und den er wenig später mit einem erstaunli-
chen, kubistoiden Sockel versehen hatte.
Die nächsten Arbeiten Giacomettis in der Stiftung sind
die bereits erwähnten Studien aus der Akademiezeit, von
denen hier besonders die Selbstbildnis-Zeichnungen inter-
essieren. Diese machen einen reiferen Eindruck als die
Akte; die eine treibt deren Facettierungen bis in jenes
kleinteilige Extrem, das an die späteren Erzählungen von
der Unmöelichkeit, von einer Einzelheit zur nächsten,