Landes nicht zu übersehen ist. Besonders das Y, auf das
die ganze Bewegung zielt, ist markant herausgehoben: ist
es das in der pythagoräischen Tradition so betonte Zei-
chen der Entscheidung? Die damit verbundene Selbstbe-
stimmung und Selbstfindung im Gang zu den Wurzeln
der eigenen Tradition in Rom mag letztlich der tiefste
Grund der Italienreisen sein. Aber wie «Roma» umgekehrt
gelesen «Amor» ergibt, so erinnert auch die Form des
Ypsilons an anderes, wie ein Blick quer durch den Raum
zu Raetz’ Ave Eva lehrt: wie in den Mythen ist auch in
Twomblys Kunst das sinnlich Elementare stets miteinge-
woben.
Die Skulpturen
Wie immer, sind auch bei Cy Twombly die Skulpturen
von elementarer, unmittelbarer Gegenwärtigkeit und trotz
ihrer Schlichtheit von unabweislicherer auratischer
Ausstrahlung als die Gemälde, denn sie sind wie wir selbst
im tatsächlichen Raum vorhandene Gegenstände”. Und
doch sind sie einem kritischen Verständnis fremder, Ja sie
scheinen sich diesem in ihrem fraglosen Vorhandensein
zu entziehen, denn das Medium der Gedanken gleicht
eher dem Vorstellungsraum von Gemälden als der opaken
Dichte der Dinge. Der Blick auf ein Bild wird durch
dessen fiktionalen Charakter sogleich in das Innere der
eigenen Vorstellung zurückgewendet, während das Objekt
andere, sinnlichere, vorsprachliche Anmutungsqualitäten
weckt.
Nun geht es in Twomblys Kunst allgemein um das
[neinander von sinnlicher Dichte, von Körper- und Haut-
arfahrung, von Gefühlen und Erinnerungen, und um
deren Transformierung und Metamorphose in Zeichen,
(deogramme, Farbmaterie, Lichträume, um das Festhalten
vitaler Vibrationen und Erschütterungen, ohne dass aus
diesen «Versteinerungen» der Lebensspuren das Leben
flieht. Es ist eigentlich ein paralleles Unterfangen zu
Giacomettis «unmöglichem» Projekt, das unmittelbar
Lebendige der menschlichen Begegnung in das Dauer-
hafte der Skulpturen zu bannen. Diese onthologische
Paradoxie, die aller «verewigenden» Kunst inhärent ist,
wird im Spontanismus des existentialistischen Informel
besonders virulent.
Wie wir bei Goethe in Italy bemerkten und frühere
Werke noch deutlicher zeigen, eignet deshalb auch den
Gemälden ein haptisch Gegenständliches über das
Objekthafte hinaus, das die Moderne allgemein vom Bild
fordert: es ist das Hautartige vielfach übertünchter Mau-
ern, das von den Graffiti verletzt wird. Die fiktionalen
Gemälde erhalten also von ihrer Farbschicht eine «echte»
Materialität, von der sich die aufgebrachten Zeichen tra-
gen lassen. Bei den Skulpturen ist es genau umgekehrt:
hier sind die Zeichen von vornherein Gegenstände, die
nun durch die weisse Übertünchung in den schwerelos
lichten Raum poetischer Assoziationen eingetaucht wer-
den. Diese Metamorphose entrückt aus drei Ebenen
gegenständlicher Realität: zunächst aus den Materialien,
aus denen der Künstler seine Plastiken zusammenwach:
sen liess, sodann von ihrem Modellcharakter als Musik-
instrumente, Gefährt oder dergleichen und schliesslich
von ihrer Dinglichkeit als Skulptur. Vielleicht bieten diese
drei Aspekte geeignete Kriterien, sich diesen in ıhrer rät-
selhaften Selbstverständlichkeit ruhenden Gebilden etwas
zu nähern, wobei das Verhältnis zu den Gemälden stets
mitbedacht werden soll.
Die Materialien, die Cy Twombly verwendet, sind
zunächst Holzstückchen, Karton, Draht - die Bricolage-
Dinge, die Picasso mit seinen kubistischen Materialreliefs
eingeführt hat und die seither die Domäne der Maler-Pla-
stiker geblieben sind. Im Gegensatz zu professionellen
Bildhauern gehen sie mit Vorliebe nicht von der rohen
amorphen Materie aus, sondern greifen diese in bereits
bearbeiteten Stücken auf; mit dem Stoff ist so immer auch
schon eine Form gegeben und gewählt. Zwar haben sich
zwei Arrangements des jungen Twombly aus spezielleren
«objets trouves», wie Türknäufen, erhalten, die von einer
frühen Begeisterung für Schwitters zeugen!®, doch im fol-
genden zieht er schlichte, unspezifische Dinge vor - wich-
tig ist ihm nur, dass sie nicht neu, dass sie bereits eine
Geschichte haben, eine anonyme, randständige, beiläu-
fige, wie eben die Zeichen, die er auch in den Bildern
verwendet.
Holz ist sein bevorzugtes Material, in dem natürliches
Wachstum kontinuierlich in menschliche Geschichte
übergeht, voller mythischer Erinnerungen und doch von
der gewöhnlichsten Alltäglichkeit. Dass in den sichtbaren