Full text: Jahresbericht 1995 (1995)

RESTAURIERUNG 
Das im letzten Jahr begonnene Projekt, unsere grosse 
Gruppe von zum Teil recht unansehnlich gewordenen 
Gemälden Johann Heinrich Füsslis zu restaurieren, führ- 
ten wir mit zwei weiteren Bildern fort. Bei vielen Gemäl- 
den dieses Künstlers wurde anlässlich früherer Reinigun- 
gen mit dem verfärbten Firnis zugleich ein grosser Teil 
der originalen Lasuren entfernt und damit die Absichten 
Füsslis beeinträchtigt. In den hellen Partien, vor allem 
‚m Inkarnat, wurde oft bis auf die weisse Untermalung 
aeruntergeputzt, während im dunklen Hintergrund die 
aufhellenden, raumentwickelnden Lasuren abgenommen 
wurden. Dadurch werden die durch die ungünstige 
Alterung der Teerfarben bedingten Verdunklungen noch 
akzentuiert, so dass die Bilder allzu fächig und mit zu 
scharfen Schwarzweisskontrasten in Erscheinung treten. 
Füssli aber war es ein Anliegen, feine Übergänge und 
Abstufungen sowie eine differenzierte Lichtführung dar- 
zustellen; er vertrat diesbezüglich in seinen «Lectures» 
eine traditionelle Kunstauffassung, die er allerdings in der 
Praxis nur im Rahmen seiner genialisch grosszügigen 
Arbeitsweise befolgte. 
Im Falle von «Achilleus greift nach dem Schatten 
des Patroklos» waren die einzelnen Bildteile durch die 
übermässige Reinigung aus dem Zusammenhang geraten. 
Von behutsamen Ergänzungen fehlender Lasuren ausge- 
hend, wurde die Wünschbarkeit einer umfassenden 
Wiederherstellung der Bildoberfäche immer evidenter. 
Dabei begannen sich die Körper der beiden Freunde wie- 
der deutlicher von einander abzuheben; entsprechend 
Ihrer unterschiedlichen Daseinsstufen erscheint der leben- 
de Achilleus plastisch vor der nebelhaft fächigen Gestalt 
des abgeschiedenen Patroklos. Im Bildhintergrund 
entstand auf diese Weise das Mondlicht mit seinem 
fh ckernden Widerschein auf den Meereswogen. 
Ähnlich tiefgreifend wurde das Bild «Das Gefängnis» 
durch Nachlasierungen behandelt. Auch hier erhielten 
die Figuren ihr Volumen zurück; der Raum zwischen den 
Gefangenen, dem schlafenden Soldaten und der herein- 
schwebenden weiblichen Frauengestalt, der Verkörperung 
der Freiheit, ist wieder in naturalistischem Sinn begreifbar 
zeworden. 
Nach konventionellen Restaurierungsrichtlinien gilt ein 
Überlasieren originaler Malerei in diesem umfassenden 
Ausmass als inakzeptabel. In dem vorliegenden besonde- 
ten Fall führt aber der vorhandene Zustand selbst bei 
Fachleuten zu Missverständnissen und Fehldeutungen. Da 
ınser repräsentativer Bestand an Werken von Füssli als 
Massstab für die Erscheinung und Restaurierung seiner 
Gemälde gilt, obliegt uns die Verantwortung, eine Anzahl 
dieser Bilder wieder in den ästhetisch wünschbaren 
Zustand zu versetzen, damit eine Diskussion über dieses 
Thema und seine Problematik geführt werden kann. PP 
Ausstellungen 
Die 32 Gemälde von Niko Pirosmanaschwili für unsere 
Ausstellung «Zeichen und Wunder» wurden bereits An- 
fang Januar per Flugtransport von Herrn Dschoni Acho- 
5adse, dem Chefrestaurator des Staatlichen Museums der 
Kunst in Tbilisi, aus Georgien ins Kunsthaus gebracht. 
Die Werke wurden so früh angeliefert, damit die nötigen, 
zeitintensiven restauratorischen Massnahmen noch vor 
der Eröffnung durchgeführt werden konnten. 
An zwölf Gemälden mussten Fixierungs- und Siche- 
‚ungsarbeiten vorgenommen werden. Pirosmanaschwili 
pfkgte mit Ölfarben auf industriell für den Haushalts- 
vedarf hergestelltes Wachstuch zu malen; die eigenwillige 
Materialkombination führte schon bald nach der Ent- 
stehung zu Haftungsproblemen, die durch die oft wenig 
sorgfältige Aufbewahrung noch verschärft wurden. Da die 
hart auftrocknende Ölfarbe den Bewegungen des durch 
das Wachs geschmeidig gemachten Bildträgers nur teıil- 
weise folgen kann, kommt es vor allem an den Rändern
	        
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