Full text: Jahresbericht 1995 (1995)

Flügel vereinigt ist. Ein neuer Rahmen, der nach einem 
vollständig erhaltenen Altar desselben Meisters in der 
Basler Barfüsserkirche kopiert wurde, und die zurück- 
haltenden Ergänzungen fehlender Teile durch unseren 
Restaurator Paul Pfister lassen den einheitlichen Raum 
und Rhythmus der stimmungsvollen Weihnachtsszene 
wieder zur Geltung kommen. Sie nimmt nicht von un- 
gefähr die Mitte des Nelkenmeister-Saals ein, denn sie 
steht dem frühsten und bedeutendsten Werk der Gruppe, 
dem Hochaltar der Freiburger Franziskaner-Kirche, am 
nächsten und dürfte von dem an diesem beteiligten Paul 
Löwensprung gemalt sein. 
Mit einem reizvollen kleinen Gemälde überraschte 
uns Herr Charles Frey-Bettoni: es stellt das Dankgebet 
Struthan Winkelrieds, des Ahnherrn des Helden von 
Sempach, nach seinem Sieg über den Drachen dar und 
stammt von dem früh verstorbenen Theodor von De- 
schwanden, dem nicht weniger begabten Neffen des 
bekannteren Melchior Paul von Deschwanden. 
Auch die Giacometti-Stiftung wurde beschenkt und 
dank den Spenden aus dem Kreis ihrer langjährigen 
Stifter und Freunde, insbesondere einem grösseren 
Beitrag von Anton Bucher, bereichert. Auf Initiative von 
Dieter Koepplin konnten so aus der bisher kaum vertre- 
tenen Übergangsphase um 1940 eine grosse Zeichnung 
nach dem «Heiligen Bartholomäus» von Konrad Witz 
und eine der kleinen Kopfstudien, der «Petit buste sur 
double socle», erworben werden. 
Im Bereich der neueren Schweizer Kunst glückte der 
Vereinigung Zürcher Kunstfreunde die Erwerbung eines 
der wichtigsten Gemälde von Cuno Amiet, der mo- 
numentalen «Sonnenflecken» von 1904, dem Jahr seiner 
kühnsten künstlerischen Experimente. Dank dem unge- 
wöhnlichen, bruchgefährdeten Träger Eternit wurde das 
Bild 1931 nicht nach München ausgeliehen und entging 
so der Brandkatastrophe, der zahlreiche Hauptwerke 
Amiets, u.a. die grossen «Bretonischen Wäscherinnen» 
des Kunsthauses, zum Opfer fielen. Die malerische Ener- 
gie, die die weissen Sonnenflecken auf dem Gewand von 
Frau Amiet in dem von Grüntönen dominierten Gemäl- 
de durchlodern, führt die Synthese von impressio- 
nistischem Sujet und Gestaltungsprinzipien des Jugend- 
stils an die Schwelle des Expressionismus. 
An der Generalversammlung vom 5. Juli 1993 beschloss 
die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, Peter Fischli und 
David Weiss ein grösseres Werk in Auftrag zu geben. Das 
Künstlerpaar, dessen Arbeiten die Gruppe Junge Kunst 
seit Jahren verfolgt und sammelt, studierte das Kunsthaus 
in- und auswendig, doch erweist sich dieses für weitere 
«Kunst am Bau» für ungeeignet. So wurde die von Beginn 
an mitbedachte Alternative einer Videoarbeit vertieft; sıe 
konnte im Schweizer Pavillon der Biennale erstmals 
gezeigt und auf der Venedig-Reise der Kunstfreunde 
besichtigt werden. Nahezu hundert Filmstunden bieten 
einen kunstvoll kunstlosen Querschnitt durch das Leben 
in der Schweiz. Im kommenden Sommer wird die Video- 
installation mit ihren zwölf locker angeordneten Monito- 
ren diese Sicht auf die heutige pluralistische Gesellschaft 
dem Zürcher Publikum vergegenwärtigen. 
Neben diesen grossartigen Geschenken treten einmal 
mehr die Ankäufe ganz zurück, denn die eigenen Mittel 
mussten noch weitgehend für die Restzahlung von Cy 
Twomblys «Goethe in Italy» eingesetzt werden, für die 
auch der Ertrag aus dem Verkauf eines Bildes von Raoul 
Dufy und eines kleinen Stillebens des Amerikaners Wil 
liam Harnett diente. Der traurige Tod des so liebenswür- 
digen Baron Bubi Durini, der die Aktivitäten seiner 
Gemahlin Lucrezia de Domizio mit Beuys intensiv unter- 
stützte und als Photograph stets begleitete, führte die 
Witwe dazu, uns Werke und Dokumente von Beuys anzu 
bieten. Insbesondere die Arbeiten aus dem Kontext deı 
«Olivestone», des von ihr 1992 dem Kunsthaus geschenk 
ten Hauptwerks, sind für uns von grossem Interesse. 
Neben diesen Zeichnungen und Multiples wurde noch 
die kleinere, eng verwandte Werkgruppe «Ombelico di 
Venere» erworben. Mit der Pflanzenpresse und ihrem 
Resultat lässt sich beispielhaft die aktionistische Basis der 
Kunst von Beuys und sein Umgang mit der Natur zeigen. 
Auf Vorschlag unseres neuen Konservators Bernharc 
Fibicher öffneten wir mit dem Ankauf zweier Werke von 
Callum Innes die Sammlung in Richtung «radical pain 
ting», während aus der von Bice Curiger zusammengestell: 
ten Ausstellung «Zeichen & Wunder» ein eigens für Zürich 
geschaffenes Relief von Balkenhol erworben wurde. 
Aus dem Schweizer Kredit konnte zur Abrundung 
der Gruppe tachistischer Malerei ein früher Tondo vor
	        
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