;timmen, wenn er schreibt: «Selbst die Farbgebung und
die Struktur der Haut erinnern an Hodler, zum Nachteil
von Amiet, der nur gute Arbeit leisten konnte, wenn ihm
das Thema entsprach und ihn inspirierte. Es kann als
sicher gelten, dass Amiets internationaler Ruf heute sehr
viel grösser wäre, wenn damals die Gartenszenen akzep-
jert worden wären und für immer ihren Platz an einer so
prominenten Stelle wie der Loggia des Kunsthauses ein-
genommen hätten. So hängen die Karriere eines Künstlers
und selbst noch sein posthumer Ruf oft von Schicksals-
launen und Juryentscheiden ab.»*
Ein schwerwiegender Vorwurf gegenüber dem Institut,
das im Grunde Amiets Bedeutung bereits sehr früh
erkannt hat! Und vor allem auch ein bedauerlicher Vorfall
in Anbetracht der so schwierigen wie auch notwendigen
Ablösung Amiets von der übermächtigen Vaterfigur Hod-
ler, der für die damals bahnbrechenden Erfolge der jun-
gen Schweizer Kunst aus internationaler Sicht zweifellos
und zu Recht die zentrale Integrationsfigur war, der aller-
dings jüngeren Künstlern - und nicht zuletzt Amiet —
zunächst entscheidende Impulse vermittelt hatte, aber
auch zur Symbolfigur werden musste, die es zu überwin-
den galt. Das Verhältnis von Amiet zu Hodler —- und vice
versa — scheint in dieser Beziehung geradezu paradigma-
tisch.
Amiets künstlerische Herkunft wies nicht darauf hin,
dass er ausgerechnet auf Hodler treffen sollte. Amiets
erster Lehrer, der weitgereiste Solothurner Frank Buchser,
machte seinen Schüler vielmehr gegenüber den damals
bahnbrechenden französischen Tendenzen hellhörig. In
Pont-Aven schliesslich traf Amiet zwar nicht mehr Gau-
guin - dieser weilte 1892/93 bereits in der Südsee -, aber
dessen Bilder wie auch diejenigen van Goghs erschlossen
ihm zuvor unbekannte Erfahrungen farblicher Aus-
drucksweise. Als erster Schweizer Künstler wurde somit
Amiet mit den jüngsten Tendenzen französischer Farb-
kultur vertraut, und seine Rolle als Mittler zwischen
diesen bahnbrechenden Errungenschaften und dem ein-
heimischen Schaffen war prädestiniert. Unterbrochen
wurde diese Mittlerrolle durch die Phase der unumgäng-
lichen Auseinandersetzung mit dem nicht aus der Farbe
entwickelten, sondern betont formalistischen Monumen-
talstıl Hodlers, die 1904 zu einem eigentlichen Eklat führ-
te. Zusammen mit Hodler, dem selbstredend der Haupt-
saal vorbehalten war, wurde Amiet damals von der Wie-
ner Sezession eingeladen, seine Werke zu zeigen: für den
einen — Hodler - wurde die Veranstaltung zum Triumph;
er schaffte damals den Durchbruch zur internationalen
Anerkennung - für den andern - Amiet - geriet die Schau
zum Debakel: man erkannte in ihm nur den Hodler-Epi-
zonen. Amiets Antwort auf die nicht ganz ungerecht-
“ertigte Kritik war gezielt, kraftvoll und überzeugend: er
5esann sich auf seine älteren, in Frankreich entwickelten
Erfahrungen und malte 1904 eine Reihe von Bildern, die
nicht nur zu den eigenständigsten gehören, die uns der
Künstler hinterlassen hat, sondern zu den wichtigsten
Werken der (Schweizer) Malerei des beginnenden 20.
Jahrhunderts zählen. Diese Rückbesinnung ist allerdings
nicht nur auf die negative Wiener Kritik zurückzuführen;
sereits 1903 ist das ausserordentlich kühne Bild «Der
gelbe Hügel»* entstanden - ein Vorbote künftiger Ent-
wicklungen zu strahlender Farbigkeit. Innerhalb der
Hauptwerke dieses so bedeutungsvollen Jahres 1904
1immt «Sonnenflecken» zweifellos den Ehrenplatz ein.
Das lebensgrosse Ganzfigurenportrait von Amiets Gat-
tin im Garten lebt völlig aus einer bewusst stilisierten
Farbskala — lila/grün/gelb/weiss - und einer dekorativen
Flächenhaftigkeit, deren Ursprünge in jugendstilhaften
Arabesken offensichtlich sind. Allein — die Nennung die-
ser einen, als erste in die Augen springenden Inspira-
tionsquelle vermag nicht das komplexe Bezugssystem
abzudecken, das diesem Bild zugrunde liegt. Denn das
Thema des Spiels von Licht und Schatten - so würde man
annehmen — ist doch wohl eines der Kernanliegen der
{mpressionisten. Aber bereits Buchser beschäftigte sich
damit, so dass Amiet während allen Stationen seines
künstlerischen Werdeganges mit teilweise divergierenden
Erfahrungen konfrontiert worden ist, die in diesem Bild
verarbeitet worden sind. Man darf sich füglich fragen, wie
es möglich war, Buchsers Protoimpressionismus,° Gau-
zuins Cloisonnismus und natürlich auch ein Quentchen
Hodlerschen Monumentalismus so zu verarbeiten, ohne
dass ein unerträgliches Pasticcio resultieren würde. Nun —
gerade darin liegt Amiets übergeordnete Begabung: dass
er ganz offenkundig verschiedenste Anregungen aufgreift,
Jiese aber zu einer absolut persönlichen, eigenständigen