Full text: Jahresbericht 1996 (1996)

des Erlebens alltäglicher Ereignisse in einer ländlichen 
Ostschweiz. Aus mehr als 120000 Aufnahmen hundert 
auszuwählen, die das Wesentliche des gewissenhaften 
Chronisten zeigte, war nicht nur ein Wagnis, war ebenso 
;ehr auch ein überraschendes Sammeln und Entdecken. 
Die 73 ausgestellten Photographien in der Ausstellung als 
auch die 137 abgebildeten in der Begleitpublikation 
bewiesen durch das aussergewöhnliche Interesse der Besu- 
cher einerseits und dem nach kurzer Zeit ausverkauften 
Bildband anderseits, wie gross der Zuspruch ganz ver- 
schiedenartiger Besucher auf eine Bilderwelt des Nahelie- 
zenden und Altbekannten sein kann. Die Ausstellung 
wurde drei Wochen verlängert und der 12. Band unserer 
Publikationsreihe zur Schweizer Photographie konnte 
neu aufgelegt werden. Besonders glücklich dürfen wir dar- 
über sein, dass Hans Baumgartner mit geistiger Wachheit 
ınd grösster Anteilnahme den Aufbau und das Ergebnis 
unserer Wahl überprüfen konnte und kurz nach seinem 
35. Geburtstag das Fest der Vernissage sowie seinen Erfolg 
in einer umfangreichen und durchwegs lobenden Presse 
mitverfolgen durfte. Und selbst die gegen tausend ihm 
vorgelegten Bücher mit der Bitte um Signatur oder hand- 
schriftlicher Widmung ertrug der Gefeierte mit seinem 
trockenen Charme und feinem Humor. 
Einen Monat vor Beendigung seiner Ausstellung, am 
Abend des 28. Dezember erlag Hans Baumgartner in sei- 
ner Wohnung in Frauenfeld einem Herzversagen. WB 
bot den Anlass zu ihrer Verwirklichung. Anhand von 24 
Gemälden versuchten wir, unterschiedliche Behandlun- 
gen von der altmeisterlichen Ölmalerei bis zum Impres- 
sıonismus aufzuzeigen. Während die alten Meister 
bekanntlich die Oberflächen ihrer Gemälde meistens mit 
Lasuren und Firnissen abschlossen, führt die Entwicklung 
ım 19. Jahrhundert zu einer matten, ungefirnissten Ober- 
fläche, was besonders für impressionistische Bilder von 
grösster Wichtigkeit ist. Unvermeidlicherweise wirft diese 
Darstellung ein Licht auf sehr fragwürdige Restau- 
1erungsmassnahmen, bei denen Lasuren zerstört, unge- 
firnisste Gemälde gefirnisst oder ungeeignete Kunstharz- 
firnisse verwendet wurden. Hervorzuheben war die 
Bedeutung der Patina, da sie über die Frage Aufschluss 
bietet, ob ein Gemälde ursprünglich gefirnisst war, oder 
ungefirnisst konzipiert wurde. Neben den Gemälden von 
Claude Lorrain erhellten drei Gemälde von Johann Hein- 
rich Füssli die Frage der Lasur bei den alten Meistern. Drei 
Gemälde von Auguste Renoir, die sich im originalen 
Zustand befinden, stellen Renoirs unterschiedliche Kon- 
zepte der Oberfläche dar. Die Bedeutung der Wandfarbe 
für die Wirkungsweise der Gemälde wurde durch einen 
verschiebbaren Hintergrund demonstriert, die Wichtig- 
keit der Beleuchtung, indem zu der neutralen, weissen 
Lichtfarbe in Intervallen eine gelbtonige Spotbeleuchtung 
hinzugeschaltet wurde. PP 
AUSSTELLUNG IN DER SAMMLUNG 
Von Claude Lorrain bis Giovanni Segantini — 
Gemäldeoberfläche und Bildwirkung 
Eine Ausstellung zu den Problemen der Oberflächenbe- 
handlung von Gemälden mit Firnis und Lasuren war ein 
ianggehegtes Wunschkind von uns Restauratoren; die 
Erwerbung von zwei Gemälden des gleichen Meisters — 
Claude Lorrain —, die schlagend den Unterschied von 
Kunst- und Naturharzfirnis für die Bildwirkung zeigten,
	        
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