chischen Stimmung der Protagonisten: die Donauschule
entdeckt dramatische Möglichkeiten, ein pantheistisches
Beben verschmelzt Mensch und Natur; Altdorfers
Alexanderschlacht wird zum kosmischen Ereignis. Realisti-
scher gestaltet Brueghel seine Jahreszeiten: das Sensorium
für die spezifische Situation wird mit dem klimatischen
Ausdruckswert des Herbsts oder Winters verbunden und
dieses zugleich im Tun und Verhalten der Menschen
beschrieben.
Brueghels Licht und Farbe sind merkwürdig fahl und
blass: das Zeichnerische dominiert und wirkt als abstra-
hierende Verallgemeinerung. Mit dem Aufbrechen der
Naturdarstellung in präzise Einzelaspekte um 1600
kommt eine neue Unmittelbarkeit und Intensität ins Bild.
Die Fokusierung auf die Hauptfiguren bei Caravaggio, auf
die Dinge im Stilleben, auf einen sofort überschaubaren,
atmosphärisch einheitlichen Ausschnitt ın der holländi-
schen Landschaftsmalerei setzt den Betrachter unabweis-
baren Situationen aus, die sein subjektives Erleben ent-
schieden stärker in ihren Bann ziehen. Subjektiv bedeutet
hier aber nicht individuell zufällig; die Struktur der Bilder,
die Wahl der Gegenstände, das Tun der Menschen
bewahrt bei aller realistischen Direktheit ein paradigma-
tisch Allgemeines, dem eine Verankerung im Weltbild der
Epoche entspricht: es ist die Schöpfung Gottes, geordnet
nach Mass und Zahl, in die der Mensch eingebunden ist,
in der sich die Gegensätze die Waage halten und alles von
Ursprung bis Ende verknüpft ist.
In der Landschaftsmalerei vermochte Claude Lorrain
diese Weltsicht am dichtesten zu gestalten. Schon in sei-
nem frühen Bild gelang ihm eine vollendete Synthese von
exakter Naturbeobachtung, der Evokation bestimmter
Stimmungswerte, einer beispielhaften Landschaftskon-
struktion und Figurengruppierung und dies in einer for-
mal künstlerisch spannungsvoll ausgeglichenen Harmo-
nie. Wir haben auf die Konsonanz der topographischen
Situation mit der Jagdgesellschaft hingewiesen, ihre inne-
re ständische Organisation wird in Kleidung und Anord-
nung erzählt. Vom Herrn der Jagd strahlen wichtige Lini-
en aus, die die Komposition organisieren; die Richtung
seines Willens entspricht dem Einfall des Lichtes und
weist auf die offene Ebene, in die man aus dem Wald-
gebirge hinabsteigt. Das Wasser wiederholt im Kontrast
vom munter sprunghaften Bergbach zum breit und
gleichmässig fliessenden Strom den Lebensrhythmus der
von der Jagd zur Tagesarbeit zurückkehrenden Männer;
das glitzernd frische Morgenlicht im schattigen Grund ist
dem feinen Dunst der Ebene gegenübergesetzt.
Lässt sich solche erzählerische Verknüpfung von Figu-
ren und Landschaft ohne weiteres durch allgemein
menschliche Einfühlung erschliessen, wenn man sich
auch eine historisch wissenschaftliche Vertiefung durch
zeitgenössische Parallelen wünschte, so entgeht dem
modernen Betrachter leicht, dass hier wohl zugleich eine
rhetorische Anspielung an Diana, die antike Göttin der
Jagd, vorliegt. In der Geschichte des unglücklichen Jägers
Aktaion, der die keusche Göttin im Bade erblickt, zur
Strafe in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen
Hunden zerfleischt wird, schildert Ovid (Metamorpho-
sen III, 153-160) den Hain der Keuschen mit Quell, Teich
und Felsbogen, wie er in unserem Bild als Rastplatz der
Jäger erscheint. Auch die andere «natürliche» Brücke, der
Baumstamm, auf dem vorn ein Bursche den Bach über-
quert, erinnert an eine mythisch vorzivilisatorische Früh-
zeit, in die der Jägerstand insbesondere zurückreicht. Den
«arco naturale» kannte Claude auch aus antiken Fresken;
in einer Zeichnung überliefert er die verlorene Land-
schaft, die bei den Bauarbeiten für den Palazzo Barberini
kurz zuvor zum Vorschein kam. Dieses Naturphänomen,
in dem quasi die Natur selbst zum Baumeister wird, zeug-
te für die ın der Schöpfung waltende Vernunft und den
Einklang von Mensch und Natur. Noch Salomon Gessner
und seine Zeitgenossen liebten solche Erscheinungen, in
den erfundenen Gouachen ebenso wie in der Natur, etwa
in dem von ihm radierten «vom Wasser zu einer Brücke
unterhölten Fels... ohnweit Rüti».
Zeigt das frühe Morgenbild einen natürlichen Felsbo-
gen als Hauptmotiv, so die grosse, reife Abendlandschaft
den kunstvollen Triumphbogen Konstantins und das
Kolosseum, die beiden berühmtesten Bauwerke der Anti-
ke. Ebenso wie die Bildrhythmik grossartiger, der Aufbau
komplexer, die Motivik reichhaltiger, ist auch die Erzäh-
lung oder Aussage des Gemäldes vielschichtiger. Die Jäger
waren modern gekleidete Genrefiguren, wie es zumal ın
der nordischen Tradition üblich war, die damals von den