ınd erst noch mit Hauptwerken bedient wurde, ist m. W.
>»1n einmaliger Fall und lässt sich nur vor dem Hinter-
zrund der ungewöhnlichen Geschichte der Familie Werd-
müller verstehen. David, der Grossvater Johann Georgs,
und sein Bruder Heinrich begannen 1587 mit der Verar-
beitung von Seidenabfällen, die sie aus Italien und Spani-
en importierten und hier dank der vielen Arbeitslosen
und dem niedrigen Lohnniveau in ländlicher Heimarbeit
spinnen und zwirnen lassen konnten. Das fabrikations-
‚echnische Wissen eines Locarnesen und das zunächst
benötigte Kapital aus Genf und Frankfurt weisen ebenso
auf das europaweite Beziehungsnetz der calvinistischen
Diaspora wie die Vertriebsorganisation, die mit Faktoren
an den wichtigsten Messeplätzen bald auch Geldtransak-
tionen für Drittpersonen tätigte: mit den Gebrüdern
Werdmüller beginnt in Zürich sowohl die Textilfabrikati-
an im grossen Stil, die älteste «Industrie», als auch der
internationale Fernhandel und Bankverkehr. Als sie star-
ben, hinterliessen sie 280 resp. 350 Tausend Gulden - der
‚eichste Zürcher vor ihnen besass 40000 Gulden.
Während Heinrich eher einen schlichten Lebenswandel
ınd eine ausgeprägt karitative Ader pflegte, neigte David
zum Luxus: er baute den Alten Seidenhof aufwendig aus
and legte einen Kunstsaal an.
Erst nach Davids Tod konnte sein Sohn die schon
zuvor heimlich geehelichte, gleichfalls sehr begüterte
Konstanzer Kaufmannstochter nach Zürich führen, wo
sie als gebürtige Katholikin gesellschaftlich allerdings
kaum akzeptiert wurde. Sie strebte nach Höherem und
heiratete in zweiter Ehe den Junker Schmid, den bekann-
ten Regimentskommandanten in französischen Diensten;
vor allem aber liess sie ihren beiden Söhnen eine Erzie-
hung von adligem Zuschnitt und Aufwand angedeihen.
Bereits die Knaben wurden von den besten Köpfen der
damals in Zürich blühenden Vermessungstechnik unter-
sichtet, sodann im Genfer College weitergebildet und
schliesslich in einer fast dreijährigen Kavalierstour durch
ganz Frankreich zu weltläufigen Gentilhommes und erst-
klassigen Militäringenieuren geformt. So waren sie in
jeder Hinsicht den engen bürgerlichen Verhältnissen ihrer
Vaterstadt entwachsen; Hans Rudolph, der berühmte
General in venezianischen und österreichischen Dien-
sten, hatte hier beträchtlichen Ärger; der introvertiertere
Hans Georg war als Entwerfer und Leiter der Stadtbefe-
stigung ebenso unentbehrlich wie unbeliebt. Durch poli-
tische Intrigen schikaniert, wollte er wiederholt seine gros-
se Aufgabe niederlegen - bis zu 1600 Arbeiter waren
zeitweilig an diesem mit Kosten von gegen einer Million
Gulden aufwendigsten Unternehmen der Stadt im
17. Jahrhundert beschäftigt. Dass er bei seinen Fähigkeiten
nicht auf die Zürcher angewiesen war, zeigen die paar
wenigen Aufgaben, die er ausserhalb der Stadt annehmen
durfte, insbesondere die Befestigung von Aarburg und die
noch bedeutendere von Heidelberg. Schlaglichtartig
erhellt eine Sentenz, die er ins Stammbuch des nieder-
‘ändischen Malers Jan Hackaert schrieb, seine ambivalen-
ten Gefühle: «Che serve al communo, servi a nessuno».
Was sich zunächst als politisch-moralische Maxime liest —
«Wer der Allgemeinheit dient, der diene keinem einzel-
nen» — kippt in einen negativen Doppelsinn: «Wer der
Allgemeinheit dient, hat niemandem einen Dienst erwie-
sen.» Trotzdem war er später nicht nur als Feldzeugmei-
ster, sondern auch in anderen Chargen, u.a. als Landvogt
in Wädenswil, für den Staat tätig.
Sein grosses Interesse für die bildenden Künste wurde
sicher bereits durch den Kunstsaal seines Grossvaters
geweckt, wohl die einzige substantiellere Gemäldesamm-
lung des alten Zürich. Ob seine eigenen Erwerbungen in
diesen eingingen oder doch eher bei ihm verblieben, ist
undeutlich, wie sich denn die Überlieferung überhaupt
sehr nebelhaft darstellt. Wahrscheinlich stammen einzel-
ne Gemälde von Hackaert und Zürcher Malern, insbe-
sonders Conrad Meyers, Matthias Füsslis und Georgs
Sohn Hans Rudolph im Familiensitz Elgg aus seinem
Zesitz; eindeutig identifizieren lassen sich nur die drei
Landschaften von Claude Lorrain dank dessen Liber Veri-
atis. Vielleicht wurde Werdmüller durch dessen Radie-
‚ungen auf ihn aufmerksam, vielleicht vermittelte ihm
jesagter Küng nur aufgrund allgemeiner Instruktionen
das erste kleine Bild von 1648. Möglicherweise weckte
sereits dies den Wunsch nach Weiterem, oder er sah auf
seiner Gesandtschaftsreise nach Venedig 1650, dass Clau-
de seine Meisterschaft erst im grösseren Format voll ent-
faltete. Seinen Interessen gemäss wünschte er nun wohl
sine bedeutende altrömische Architektur, was Küng ım
Liber Veritatis eine Wiederholung der Pastorale mit Kon-