Full text: Jahresbericht 1996 (1996)

Gruppe Junge Kunst steuerte nicht weniger als vierzehn 
verschiedene Einzelbilder und Serien des Aktions-Künst- 
jers Roman Signer bei, ein reizvolles Pendant zu dem rei- 
chen Fundus an Arbeiten von Fischli/ Weiss. 
Die Geschichte der «künstlerischen Photographie» im 
20.Jahrhundert ist noch nicht geschrieben. Ausstellungen 
wie «Im Kunstlicht» sind Beiträge, ihre verschlungenen 
Wege zu klären. Von Dada und dem Surrealismus her 
läuft ein Faden, der manchmal zum Knäuel wird, wie 
Anfang der siebziger Jahre, und der plötzlich Wols mit 
Polke verbindet. Eine andere, deutlichere deutsche 
Connection spielt via Bernhard und Hilla Becher zwi- 
schen Bauhaus und der Düsseldorfer Schule mit Gursky 
und Struth bis Hans Danuser. Der Pictorialismus feiert 
Wiederauferstehung bei Strba und Förg. Das Revival der 
frühen siebziger Jahre, etwa Baldessari, ist aber auch 
schon wieder lebendige Geschichte, die nach der Phase 
des grossformatigen Photo-Bilds in den «armen» Serien 
von Marianne Müller, bei Buetti oder Tillmanns nach- 
wirkt. Oder die der Kunst immer nahe Modephoto- 
graphie (Blumenfeld, Penn, Avedon) verwandelt sich in 
die computergemachten Geschöpfe von Inez van Lams- 
weerde. 
Wie fruchtbar der Dialog zwischen Malerei, Graphik, 
Skulptur und Photographie sein kann, lassen die Werk- 
gruppen von Dan Graham und Lothar Baumgarten 
ahnen. Grahams frühe Recherche «Houses of America» ist 
das Fundament seiner äusserlich so andersartigen plasti- 
schen Tätigkeit geblieben, während im Werk Baumgartens 
sich die Medien im Sinn ihrer bestmöglichen Ausdrucks- 
fähigkeiten verschränken. Wie fruchtbar der Dialog heute 
ist, zeigt die Spannweite zwischen der neunteiligen Arbeit 
«Frozen Embryo» von Hans Danuser und den sterilen 
«Laboratories» von Lynne Cohen zu Strbas Familienbe- 
schwörung, zwischen Förgs Platonismus, Tillmanns glo- 
baler Mobilität und Marianne Müllers Identitätssuche. 
Die Gegenwartskunst lebt, als Zeugnis ihrer Zeit, gerade- 
zu handgreiflich dicht, mit den Gestaltungsmitteln der 
«künstlerischen Photographie.» 
Bleiben am «Ende der Kunst» nur noch «Fotos der 
Kunst», wie Tobia Bezzola in seinem vielzitierten Katalog- 
aufsatz zum «Kunstlicht» vermutet? Führt uns die Licht- 
kunst hinters Licht? Giuseppe Penones vielschichtig-iro- 
nische Installation «Trappole di luce» setzte «Im Kunst- 
licht» den Kontrapunkt. Ein dürftiges Buchenbäumchen 
wächst ins künstliche Licht. Durch einen schon dürren 
Ast ist ein Augenpaar aufgespiesst, das als photographi- 
sches Selbstbildnis auf eine kleine Porzellan-Tafel aufge- 
tragen ist, wie man sie von italienischen Friedhöfen 
kennt. Ist der Künstler geblendet, oder hat er im Gegen- 
teil Stielaugen? «Was vermögen unsere Augen heute noch 
als Kunst zu erkennen?» hört man als (vielleicht typisch 
italienische) Frage. Die Blindheit des Künstlers ıst wahr- 
lich kein Thema für Photographen. 
Guido Magnaguagno
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.