Gruppe Junge Kunst steuerte nicht weniger als vierzehn
verschiedene Einzelbilder und Serien des Aktions-Künst-
jers Roman Signer bei, ein reizvolles Pendant zu dem rei-
chen Fundus an Arbeiten von Fischli/ Weiss.
Die Geschichte der «künstlerischen Photographie» im
20.Jahrhundert ist noch nicht geschrieben. Ausstellungen
wie «Im Kunstlicht» sind Beiträge, ihre verschlungenen
Wege zu klären. Von Dada und dem Surrealismus her
läuft ein Faden, der manchmal zum Knäuel wird, wie
Anfang der siebziger Jahre, und der plötzlich Wols mit
Polke verbindet. Eine andere, deutlichere deutsche
Connection spielt via Bernhard und Hilla Becher zwi-
schen Bauhaus und der Düsseldorfer Schule mit Gursky
und Struth bis Hans Danuser. Der Pictorialismus feiert
Wiederauferstehung bei Strba und Förg. Das Revival der
frühen siebziger Jahre, etwa Baldessari, ist aber auch
schon wieder lebendige Geschichte, die nach der Phase
des grossformatigen Photo-Bilds in den «armen» Serien
von Marianne Müller, bei Buetti oder Tillmanns nach-
wirkt. Oder die der Kunst immer nahe Modephoto-
graphie (Blumenfeld, Penn, Avedon) verwandelt sich in
die computergemachten Geschöpfe von Inez van Lams-
weerde.
Wie fruchtbar der Dialog zwischen Malerei, Graphik,
Skulptur und Photographie sein kann, lassen die Werk-
gruppen von Dan Graham und Lothar Baumgarten
ahnen. Grahams frühe Recherche «Houses of America» ist
das Fundament seiner äusserlich so andersartigen plasti-
schen Tätigkeit geblieben, während im Werk Baumgartens
sich die Medien im Sinn ihrer bestmöglichen Ausdrucks-
fähigkeiten verschränken. Wie fruchtbar der Dialog heute
ist, zeigt die Spannweite zwischen der neunteiligen Arbeit
«Frozen Embryo» von Hans Danuser und den sterilen
«Laboratories» von Lynne Cohen zu Strbas Familienbe-
schwörung, zwischen Förgs Platonismus, Tillmanns glo-
baler Mobilität und Marianne Müllers Identitätssuche.
Die Gegenwartskunst lebt, als Zeugnis ihrer Zeit, gerade-
zu handgreiflich dicht, mit den Gestaltungsmitteln der
«künstlerischen Photographie.»
Bleiben am «Ende der Kunst» nur noch «Fotos der
Kunst», wie Tobia Bezzola in seinem vielzitierten Katalog-
aufsatz zum «Kunstlicht» vermutet? Führt uns die Licht-
kunst hinters Licht? Giuseppe Penones vielschichtig-iro-
nische Installation «Trappole di luce» setzte «Im Kunst-
licht» den Kontrapunkt. Ein dürftiges Buchenbäumchen
wächst ins künstliche Licht. Durch einen schon dürren
Ast ist ein Augenpaar aufgespiesst, das als photographi-
sches Selbstbildnis auf eine kleine Porzellan-Tafel aufge-
tragen ist, wie man sie von italienischen Friedhöfen
kennt. Ist der Künstler geblendet, oder hat er im Gegen-
teil Stielaugen? «Was vermögen unsere Augen heute noch
als Kunst zu erkennen?» hört man als (vielleicht typisch
italienische) Frage. Die Blindheit des Künstlers ıst wahr-
lich kein Thema für Photographen.
Guido Magnaguagno