Jahr vermitteln; inzwischen ist der entgegen den Inten-
tionen Manets aufgebrachte gelbliche Firnis von Paul
Pfister vollständig entfernt worden, so dass die Faszi-
nation dieses bedeutenden Kunstwerkes wieder voll zur
Geltung kommt. Wir können hier nicht verschweigen,
was Frau Marianne Feilchenfeldt zu dem Gemälde be-
merkte: Früher habe sie immer gedacht: «Was für ein
ekliger alter Mann» - aber wenn sie das Bild heute sehe,
denke sie: «Was für ein ekliger junger Mann!» Tatsächlich
waren die Beziehungen Manets zu dem Kunstkritiker
Wolff eher gespannt. Der Mann von Frau Feilchen-
feldt war Compagnion des Berliner Kunsthändlers Paul
Cassirer, dem Bruder Hugos, und wichtigster Vermittler
der impressionistischen und postimpressionistischen
französischen Malerei nach Deutschland. Nach dessen
Tod führte Feilchenfeldt das Geschäft weiter und trans-
ferierte es, von Empfehlungen des damaligen Kunsthaus-
direktors Wilhelm Wartmanns unterstützt, in den dreis-
siger Jahren in die Schweiz. Neben der Familie Hugo
Cassirer sind wir Herrn Dr. Peter Alther zu grossem Dank
verpflichtet, der mit dem Gemälde von Manet einmal
mehr ein hochbedeutendes Geschenk an die Kunst-
gesellschaft vermittelt hat.
Last but not least hat unsere bereits gewichtige Samm-
lung von Werken Edvard Munchs einen sehr bedeuten-
den Zuwachs erhalten, indem die Herbert Eugen Esche
Stiftung fünf Gemälde seiner Hand im Kunsthaus als
Dauerleihgabe deponiert hat. Im Herbst 1905 weilte der
Norweger bei dem Textilindustriellen Esche in dessen
von Henri van de Velde erbauten und nach seinen
Jugendstil-Pinzipien bis ins letzte Detail durchgestal-
teten Haus in Chemnitz. Hier entstanden mehrere Por-
traits der Familie und ein Ausblick über den Park in die
Landschaft. Repräsentativer als die beiden psychologisch
genauen Bildnisse des Hausherrn ist das grosse, zauber:
hafte Kinderbild mit der kleinen Erdmute und ihrem
älteren, ernst blickenden Bruder. Den Kopf des Mäd:
chens hatte Munch in einem ungemein frischen und
direkt wirkenden kleinen Bild vorbereitet. Wir sind deı
Familie für ihren ausserordentlich grosszügigen und ver:
antwortungsvollen Umgang mit dem Erbe zu grossem
Dank verpflichtet.
Im Bereich der neueren Schweizer Kunst möchten
wir zunächst dem Sohn von Muz Zeier danken, deı
uns zwei Gemälde seines Vaters schenkte. Er war ein
Geheimtyp, ein «artists’artist», der vor allem auch als
Jazz-Musiker eine grosse Ausstrahlung auf seinen Zür
cher Künstlerkreis ausübte. Erworben wurde eine grosse
neue Arbeit von Adrian Schiess, dessen Werk wir schon
seit längerem verfolgen. Die sieben Platten, «flache
Arbeiten», wie der Maler die am Boden liegenden «Bil-
der» nennt, sind insofern besonders reizvoll, als sie auf
ihren beiden Seiten zwei verschiedene, auf einander
abgestimmte und somit mischbare Farbverläufe zeigen.
Ihre Erstpräsentation unter dem zwanzigteiligen Werk
«45» von Georg Baselitz ergab mannigfaltig gegen-
seitig erhellende Beziehungen und Spannungen. Auch
Thomas Stalder erforscht das Medium Malerei, doch
bedient er sich dazu des herkömmlichen Leinwand:
gemäldes. In seinem neu erworbenen Bild schweben Far
ben, in denen sowohl die Art des Malvorgangs wie ihre
-äumlichen und flächigen Wirkungen erprobt werden.
Die Photosammlung erweiterte sich mit Werken von
Lewis Baltz, Paul Graham und Luciano Rigolini, welche
die Bank Hofmann AG als Geschenk aus der Ausstellung
«Zürich — ein Fotoportrait» (siehe Seite 19) übergab.