Full text: Jahresbericht 1997 (1997)

Jahr vermitteln; inzwischen ist der entgegen den Inten- 
tionen Manets aufgebrachte gelbliche Firnis von Paul 
Pfister vollständig entfernt worden, so dass die Faszi- 
nation dieses bedeutenden Kunstwerkes wieder voll zur 
Geltung kommt. Wir können hier nicht verschweigen, 
was Frau Marianne Feilchenfeldt zu dem Gemälde be- 
merkte: Früher habe sie immer gedacht: «Was für ein 
ekliger alter Mann» - aber wenn sie das Bild heute sehe, 
denke sie: «Was für ein ekliger junger Mann!» Tatsächlich 
waren die Beziehungen Manets zu dem Kunstkritiker 
Wolff eher gespannt. Der Mann von Frau Feilchen- 
feldt war Compagnion des Berliner Kunsthändlers Paul 
Cassirer, dem Bruder Hugos, und wichtigster Vermittler 
der impressionistischen und postimpressionistischen 
französischen Malerei nach Deutschland. Nach dessen 
Tod führte Feilchenfeldt das Geschäft weiter und trans- 
ferierte es, von Empfehlungen des damaligen Kunsthaus- 
direktors Wilhelm Wartmanns unterstützt, in den dreis- 
siger Jahren in die Schweiz. Neben der Familie Hugo 
Cassirer sind wir Herrn Dr. Peter Alther zu grossem Dank 
verpflichtet, der mit dem Gemälde von Manet einmal 
mehr ein hochbedeutendes Geschenk an die Kunst- 
gesellschaft vermittelt hat. 
Last but not least hat unsere bereits gewichtige Samm- 
lung von Werken Edvard Munchs einen sehr bedeuten- 
den Zuwachs erhalten, indem die Herbert Eugen Esche 
Stiftung fünf Gemälde seiner Hand im Kunsthaus als 
Dauerleihgabe deponiert hat. Im Herbst 1905 weilte der 
Norweger bei dem Textilindustriellen Esche in dessen 
von Henri van de Velde erbauten und nach seinen 
Jugendstil-Pinzipien bis ins letzte Detail durchgestal- 
teten Haus in Chemnitz. Hier entstanden mehrere Por- 
traits der Familie und ein Ausblick über den Park in die 
Landschaft. Repräsentativer als die beiden psychologisch 
genauen Bildnisse des Hausherrn ist das grosse, zauber: 
hafte Kinderbild mit der kleinen Erdmute und ihrem 
älteren, ernst blickenden Bruder. Den Kopf des Mäd: 
chens hatte Munch in einem ungemein frischen und 
direkt wirkenden kleinen Bild vorbereitet. Wir sind deı 
Familie für ihren ausserordentlich grosszügigen und ver: 
antwortungsvollen Umgang mit dem Erbe zu grossem 
Dank verpflichtet. 
Im Bereich der neueren Schweizer Kunst möchten 
wir zunächst dem Sohn von Muz Zeier danken, deı 
uns zwei Gemälde seines Vaters schenkte. Er war ein 
Geheimtyp, ein «artists’artist», der vor allem auch als 
Jazz-Musiker eine grosse Ausstrahlung auf seinen Zür 
cher Künstlerkreis ausübte. Erworben wurde eine grosse 
neue Arbeit von Adrian Schiess, dessen Werk wir schon 
seit längerem verfolgen. Die sieben Platten, «flache 
Arbeiten», wie der Maler die am Boden liegenden «Bil- 
der» nennt, sind insofern besonders reizvoll, als sie auf 
ihren beiden Seiten zwei verschiedene, auf einander 
abgestimmte und somit mischbare Farbverläufe zeigen. 
Ihre Erstpräsentation unter dem zwanzigteiligen Werk 
«45» von Georg Baselitz ergab mannigfaltig gegen- 
seitig erhellende Beziehungen und Spannungen. Auch 
Thomas Stalder erforscht das Medium Malerei, doch 
bedient er sich dazu des herkömmlichen Leinwand: 
gemäldes. In seinem neu erworbenen Bild schweben Far 
ben, in denen sowohl die Art des Malvorgangs wie ihre 
-äumlichen und flächigen Wirkungen erprobt werden. 
Die Photosammlung erweiterte sich mit Werken von 
Lewis Baltz, Paul Graham und Luciano Rigolini, welche 
die Bank Hofmann AG als Geschenk aus der Ausstellung 
«Zürich — ein Fotoportrait» (siehe Seite 19) übergab.
	        
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