dieser Bestand durch ein knappes Dutzend Offsetlitho-
graphien und Serigraphien zu einer repräsentativen
Gruppe abgerundet.
Nicht nur in den 60er Jahren schien der Offsetdruck
verpönt, sondern noch heute umweht ihn der Geruch
des zu Gewöhnlichen, weil er technisch zu mechanisch,
zu wenig handwerklich und preziös erscheint. Doch für
Sigmar Polke stellte dies alles gerade eine willkommene
Möglichkeit dar, mit jener falschen Ehrfurcht, die
zuweilen dem künstlerisch bearbeiteten Papier entgegen-
gebracht wird, auf Anhieb aufzuräumen. Mit analyti-
scher Intelligenz, Neugier und Sinn für das intimistische
Potential der Gattung gelang es ihm immer wieder, in
äusserst poetische Räume vorzudringen, um gleichzeitig
das Genre selber ätzend zu «entheiligen».
Die neu erworbenen Blätter geben Einblick in Polkes
Denkbewegungen und verweisen immer wieder auf seine
Malerei. Polkes Vorliebe etwa für bereits bedrucktes
Papier als Bildgrund entspricht nicht nur dem hohen
Anteil von Dekostoffen in seinen Gemälden, Die Zier-
papiere wie etwa das marmorierte oder mit Eidechsen-
muster geprägte Papier in den Blättern von 1973 («Obe-
lisk», «Figur mit Hand, es schwindelt») appellieren auch
an das Potential der Erinnerungen, etwa an das Uni-
versum der Buchbinder oder an den kinderseligen
Zauber von Geschenkverpackungen. Auch die Technik
der Farbschüttung, die Polke seit den 80er Jahren in
immer wieder von neuem erstaunlichen Varianten
anwendet, taucht von 1987-1989 als geronnenes Zitat in
Siebdruck auf.
In den 70er Jahren hat sich der Künstler extensiv der
Photographie zugewandt, so dass auch in seiner Druck-
graphik häufig Verweise darauf anzutreffen sind. Das
Blatt «Kicker» von 1971 sieht auf Anhieb aus, als hätte es
starke Knitterspuren, doch bei genauerer Prüfung
erkennt man ein vertracktes Spiel der Bildebenen. Eine
im schönen Streiflicht photographierte papierene Knitter-
landschaft wurde als Doppelbelichtung so auf ein Blatt
gedruckt, dass der Blick zugleich in den Kasten eines
Tischfussballs fällt. In «Obelisk, (Hieroglyphen)» von
1973 greift Polke auf ein Photo seiner bekannten Serie
«Paris» 1971. Es ist das Bild des Obelisken der Place de la
Concorde, aufgenommen, als die Sonne genau auf
dessen Spitze zu stehen kam. In mehrfachbelichteter
sternförmiger Anordnung und zusätzlich solarisiert,
wird das Bild zur suggestiven, ja fast hypnotischen
Erscheinung auf dem dunklen, unruhigen Bildgrund. Es
sind schwebende Räume, die oszillieren in einer unklar
gehaltenen Tiefenillusion oder die von sanften, aber
nachhaltigen Wirbeln erfasst sind, so dass zuweilen sich
das Oben mit dem Unten vertauscht wie in «Hände (Die
Vermittlung zwischen dem Oberen und dem Unteren)»
von 1973.
Durch eine künstlerisch-konzeptuelle Akzentuierung
des Prozesshaften der Photographie und des Druckvor-
gangs überlagern sich immer wieder Raum- und Zeitbe-
griffe, so dass unschwer auch eine Anspielung an das
Universum der Drogenerfahrung zu erkennen ist oder
der «Bewusstseinserweiterung» wie es in jenen Jahren
hiess. In «Mu nieltnam netorruprup» von 1975, ent-
standen nach einer Reise nach Pakistan und Afghani-
stan, steht ein überdimensionierter Fliegenpilz im Zen-
trum des Bildes. Wie aus der eigenen Kultur zuweilen
Verbindungen zur fremden geknüpft werden können, ist
durch die Indianer in Anbetung einerseits und dem
kryptischen Titel andererseits gegeben, der nichts
anderes als in gegenläufiger Richtung gelesen eine Zeile
aus «Ein Männlein steht im Walde» wiedergibt.
In der Serie «Hopp», «Topp», «Flopp» von 1996
kommt die vom Künstler seit Jahren mit Passion
gepflegte Suche nach dem «Druckfehler», der durch
Zufall verunreinigten und schadhaft gewordenen Raster-
wiedergabe, zum Zuge. Eine kreativ parasitäre Begeben-
heit, die an jene höhere Ordnung, jene Instanz, denken
lässt, auf die sich Polke humorig-hinterlistig immer
wieder berufen hat (etwa in seinem berühmten Bild
«Höhere Wesen befehlen, rechte obere Ecke schwarz
malen» von 1968). So scheint auch die gestisch kreisende
künstlerische Verausgabung auf dem Blatt «Häuserfront
(Wer hier nichts erkennen kann, muss selber pendeln)»
von 1973 nicht auf eine genialische Eingebung des
Künstlers, sondern nur auf die durch Pendeln eruierten
Kräfte aus dem All zurückzuführen zu sein.
Bice Curiger