Full text: Jahresbericht 1999 (1999)

AUSSTELLUNGEN 
Chagall, Kandinsky, Malewitsch und die 
Russische Avantgarde 
Die Ausstellung «Chagall, Kandinsky, Malewitsch und 
die Russische Avantgarde» wurde von der Kunsthalle 
Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus kon- 
zipiert. Hauptleihgeber war das Staatliche Russische 
Museum ın St. Petersburg; doch auch 14 russische Re- 
gionalmuseen stellten eine eindrückliche Reihe von 
Bildern zur Verfügung, sodass eine Fülle unbekannter 
Gemälde manch neue Einsicht in das komplexe Thema 
zarlaubte. Nicht die im Westen hinlänglich bekannte 
russische Revolutionskunst sollte erneut evoziert wer- 
den, sondern vielmehr jene bahnbrechenden Tendenzen 
der ersten beiden Jahrzehnte des 20.Jahrhunderts, die 
den Suprematismus, d.h. die konsequenteste und radi- 
kalste Visualisierung der Utopie eines «neuen» Men- 
schen, vorbereitet und ermöglicht haben. Die breite 
Darstellung der Auseinandersetzung der russischen 
Künstler — und vor allem der Künstlerinnen, deren 
kreatives Potential besonders hervorzuheben ist, mit 
den westlichen Avantgardebewegungen wie Fauvismus, 
Kubismus und Futurismus verdeutlichte augenfällig die 
spezifisch russische Adaptation des primär in Frankreich 
und Italien Entwickelten. Das andersartige Empfinden 
der russischen Maler, das sie vom provinziellen Imi- 
tieren der westlichen Kunst bewahrte, liess sie stets 
autochthone Komponenten - so die ungebrochene Ver- 
ehrung der Ikone oder die Auseinandersetzung mit der 
ornamentverliebten Volkskunst - in ihre zukunftswei- 
senden Gestaltungsmöglichkeiten integrieren. 
In Zürich konnte die Ausstellung gegenüber der 
Hamburger Erstpräsentation durch ein einzigartiges En- 
semble von Werken des leider viel zu wenig bekannten 
[van Puni erweitert werden, da sich in einer Zürcher 
Privatsammlung die weltweit bedeutendste Werkgruppe 
dieses in den Zwanzigerjahren über Berlin nach Paris 
ausgewanderten Malers findet. In Russland hatte er 
1913/14 als enger Weggefährte von Kasimir Malewitsch 
dessen bahnbrechende Ausstellungen in Moskau und 
St. Petersburg organisiert. Als Künstler wurde Puni 
vor allem durch ungegenständliche, dreidimensionale 
Reliefkonstruktionen bekannt, von denen eine reich- 
haltige Auswahl den krönenden Abschluss der Ausstel- 
lung bildete. Das Publikumsinteresse war über Erwarten 
gross, was die Kunsthausleitung einiger Sorgen bezüg- 
lich der Finanzlage des Instituts enthob. FB 
Rudolf Steiner — Andrej Belyj - Joseph Beuys - Emma Kunz: 
Richtkräfte für das 21. Jahrhundert 
Weit über Erwartung erfolgreich war auch diese Ausstel- 
‘ung, die sich als Fortsetzung der Russischen Avant- 
garde-Positionen von Kandinsky und Malewitsch und 
Bindeglied zu «Weltuntergang» und der Katharsis der 
2000 Sculpture von Walter de Maria verstand. Nicht nur 
die «Esoteriker», ein fürs Kunsthaus eher neues Publi- 
kum, kamen, auch vielen «Uneingeweihten» wurden die 
Augen und Ohren für das «Geistige in der Kunst» 
veöffnet. 
Im Zentrum des Projekts stand die bisher grösste je 
gezeigte Auswahl aus den über tausend von 1919 bis 1924 
entstandenen Wandtafelzeichnungen Rudolf Steiners. 
Nach dem Auftakt mit je einem Hauptbild von Male- 
witsch, Kandinsky und Mondrian bildeten die selbst für 
viele vorurteilslose Zeitgenossen überraschenden Tafeln 
Steiners mit ihren farbig leuchtenden Kreidezeich- 
nungen auf tiefschwarzer Pappe ein zweireihiges Lehr- 
Band, das die ganze Universalität seines Denkens visuell 
und skriptural ausbreitete. Inmitten des grossen Raumes 
stand die Kapelle mit den unbekannten, eben in Dor- 
nach wiederentdeckten Meditationszeichnungen des 
russischen Schriftstellers und Symbolismus-Theoretikers 
Andrej Belyj, die er zwischen 1912 und 1916 unter 
Steiners Anleitung ın Dornach anfertigte. Dank seiner
	        
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