Full text: Jahresbericht 1999 (1999)

GRAPHISCHE SAMMLUNG 
Als wichtigster Neuzugang darf an erster Stelle das 1908 
gemalte Selbstbildnis von Egon Schiele genannt werden, 
das uns Herr Dr. Röder zu seinem 100. Geburtstag ge- 
schenkt hat. Es bildet nach zwei Seiten hin eine will- 
kommene Ergänzung. Die Stilisierung der Körper- 
formen und die flächige, blaue Raumfarbe schaffen den 
Bezug zur Monumentalmalerei von Ferdinand Hodler, 
dem nach Klimt und Munch einflussreichsten Vorbild 
Schieles während seines Studiums an der Akademie. Im 
vibrierenden, stellenweise fast körperlosen Farbauftrag 
gibt sich der psychologisierende, vom Wiener Milieu der 
Jahrhundertwende geprägte Scharfblick des Porträtisten 
zu erkennen. Die Nähe zu Kokoschkas Bildnis Helene 
Kann, um 1910, das die Sammlung gleichfalls Herrn Dr. 
Röder verdankt, liess sich durch unsere Hängung im 
zweiten Stock des Altbaus gut nachvollziehen. Die ein- 
zigartige Stellung verdankt das frühe Werk aber dem 
Künstler selbst, der sein kurzes Leben von Kindheit an 
restlos in den Dienst der Kunst stellte und diesen Prozess 
in einer Reihe von ergreifenden Selbstbildnissen doku- 
mentierte. 
Die Graphikerin, Bildhauerin und Nahost-Archäo- 
login Terry Haass schenkte uns anlässlich der Retrospek- 
tive in der Galerie Art Focus ein Exemplar von /nanna, 
eine mit 12 Farbradierungen ausgestattete, 1961 bei 
Lacouriere erschienene Prachtausgabe des sumerischen 
Schöpfungsmythos. Wir nutzten die Gelegenheit, der 
Künstlerin mit einer Vitrinenausstellung in unseren 
Bibliotheksräumen zu danken. 
Beim Ausbau der Sammlung mit eigenen Mitteln 
standen die Ergänzungen der im Vorjahr erworbenen 
Werkgruppen von Lothar Baumgarten und Sigmar Polke 
im Vordergrund. Die Verhandlungen über Arbeiten von 
Polke konnten noch nicht abgeschlossen werden, sodass 
ein dafür vorgesehener Betrag noch als Guthaben in der 
Rechnung erscheint. Bei Baumgarten liessen wir uns von 
der Idealvorstellung des Künstlers leiten, der zur Abrun- 
dung des inzwischen auf 38 druckgraphische Werke und 
9 Photoarbeiten angewachsenen Bestandes den Ankauf 
der drei C-Prints Augapfel (1968), Finsternis gekreuzter 
Schatten (1968) und AÄskulap (1971) sowie des Offset- 
Idrucks Fiederzwenke (1997) empfohlen hatte. Als Zugabe 
schenkte Lothar Baumgarten der Graphischen Samm- 
‘ung je ein Exemplar seiner inzwischen vergriffenen 
Ausstellungsplakate und Editionen. Ebenso konnten 
die Bestände von Cecile Wick durch den Ankauf der 
Kassette Mein Nachbar (1998) mit acht Heliogravüren 
sowie von Emmy Hennings und Helmut Dirnaichner 
sinnvoll ergänzt werden. Anlässlich der Gedenkausstel- 
lung zum 100. Geburtstag der vor vier Jahren verstor- 
benen Künstlerin Lea Zanolli, genannt «Zalea», schenkte 
uns Herr Guido Rossi 22 Collagen aus ihrem Zürcher 
Atelier. 
Seit Jahren haben wir das Schaffen von Felix Droese 
aufmerksam verfolgt, ausgestellt und gesammelt. Die 
von Frau Dr. Ursula Perucchi im Auftrag des Institutes 
für Auslandsbeziehungen (ifa), Stuttgart, erarbeitete und 
mit einem Katalog ausgestattete Wanderausstellung, die 
1991 im Graphischen Kabinett begann und in den fol- 
genden Jahren um die Welt reiste, wird nun als Dauer- 
leihgabe mit 83 Werken auf Papier und 3 kleinen 
Objekten eine Bleibe in den Sammlungen des Kunst- 
hauses finden. Dank hervorragender Zusammenarbeit 
mit dem ifa konnten die Formalitäten zu einem allseits 
zrfreulichen Abschluss gebracht werden. 
Die wissenschaftliche Bearbeitung und Konservie- 
rung stand dieses Jahr vorwiegend im Dienste des Leih- 
verkehrs, der schon in den ersten Monaten Rekord- 
zahlen erreichte. In den Zwischenstunden hat Herr 
Armin Simon mit der Inventarisierung und Passepartou- 
rierung der Neujahrsgaben der Schweizerischen Graphi- 
schen Gesellschaft begonnen. Für den ausserordentli- 
chen Einsatz in diesem zweiten und, wie wir hoffen 
wollen, letzten Übergangsjahr sei den Kollegen und Kol- 
leginnen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 
herzlich gedankt. BvW/ChK
	        
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