SAMMLUNG
Mit Jeanpierre Bruderer verlor die Sammlung einen
besonders sympathischen und verdienstvollen Freund;
viele Jahre hat er als Präsident der Vereinigung Zürcher
Kunstfreunde und der Sammlungskommission wesent-
lich an ihrer Entwicklung mitgewirkt. Seine persönliche
Vorliebe galt der lyrischen Abstraktion seiner Zeitge-
nossen; so freute er sich, dem Kunsthaus wiederholt
Gemälde von Wilfrid Moser zu schenken, als letztes 74iga
anlässlich seines achtzigsten Geburtstags, den er mit
vielen Freunden im Kunsthaus feierte. Im Mittelpunkt
seiner kleinen, von echter Kennerschaft zeugenden
Sammlung stand eine Gruppe von Werken Mark Tobeys,
aus der er dem Museum bereits 1989 White Writing und
1994 Pattern of Conflict, eine zentrale Inkunabel aus der
Zeit seiner Stilfindung um 1944, schenkte. Nun hat er
der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde auch noch die
drei anderen Arbeiten vermacht, so dass das ganze von
ihm gewählte Ensemble auf Dauer zusammen bleiben
wird. Es wird die Quintessenz des Werkes des Kammer-
musikers unter den amerikanischen Informellen verge-
genwärtigen und zugleich an einen der besten Freunde
des Museums erinnern.
Schon vor vielen Jahren fiel uns ein unscheinbares
frühes französisches Stilleben von Jacques Linard auf,
das in kunstvoll naiver Ordnung acht Meerschnecken
um ein zierliches Kästchen zeigt. Wie bei den anderen
seltenen Ergänzungen im Bereich der alten Meister tritt
hier ein bestimmter, wesentlicher Aspekt dieser Kunst
manifest ins Bild; hier ist es das Sammeln als geistige
Aneignung einer äusseren Wirklichkeit. Besonders bei
der Ausbildung der Gattung Stilleben war dies Streben
bedeutungsvoll; es ist aber allgemein für das Museums-
und das ganze Kunstwesen zentral. Der andere Aspekt,
der uns an diesem Gemälde so faszinierend dünkt, ist
seine Bildform, das Verhältnis des Dargestellten zum
Bildrechteck als sinnvoller Gestalt, jenes für die Tafelma-
lerei konstitutive Problem, das mit dem Postimpressio-
nismus in den Mittelpunkt künstlerischer Überlegungen
rückte. Nun schenkte uns Annette Bühler das kleine
Gemälde, dessen besonderen Charme wir noch mit
Eduard Hüttinger bewundert hatten.
Das Geschenk bot den Anlass, eine seit längerem
beabsichtigte Umhängung bei den Altmeistern vor-
zunehmen. Der kleine Raum vor dem Übergang zum
grossen Ausstellungssaal, in dem seit Jahrzehnten als
Leihgaben vier Löwen romanischen Stils standen, ver-
eint nun nordische spätgotische Tafeln mit Bildern der
italienischen Frührenaissance. In der langen Galerie der
Ruzicka-Stiftung wurde gegenüber der Heiligen Familie
von Rubens Claude Lorrains Pastorale mit dem Konstan-
tinsbogen und Poussins Venus und Satyren in die Schau-
sammlung integriert, dieses, nachdem die Authentizität
wieder allgemein anerkannt ist, jene nach ihrer Erwer-
bung und Restaurierung. Das Gemälde von Rembrandt,
das zuvor dort hing, kommt nun in dem kleinen
Eckraum, flankiert von den Muschel-Stilleben von
Linard und Kalf, in seiner meditativen Stille reiner zur
Geltung.
Ein weiteres Altmeister-Gemälde hat uns Frau Ger-
:rude Riehtmann als Schenkung von Josef Brandt über-
geben. Das reizende Portrait einer jungen Dame mit
ihrem Hündchen vor einer Landschaft trägt die Reste
einer originalen Signatur «... van Mieris»; dabei ist
weniger an den bekannten Frans als an seinen früh ver-
storbenen Sohn Jan (1660-1690) zu denken, wie mir Dr.
R.E.O. Ekkart aus Den Haag auf Grund von Stil- und
Signatur-Vergleichen freundlicherweise mitteilt. Damit
gelangt erstmals ein charakteristisches Beispiel der Lei-
dener «Fijnschilders» ins Kunsthaus, die sich bis ins
späte 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit erfreuten, Das
Bildnis der Gräfin Armfeld mit ihrer Tochter, ein farblich und
psychologisch besonders ansprechendes Beispiel des
späten, klassizistischen Stils von Anton Graff, kam
bereits 1990 noch zu Lebzeiten von Annemarie Boveri
ıns Kunsthaus. Dennoch wurde nachträglich die
Zugehörigkeit zum Vermächtnis Annemarie und Walter