Full text: Jahresbericht 1999 (1999)

SAMMLUNG 
Mit Jeanpierre Bruderer verlor die Sammlung einen 
besonders sympathischen und verdienstvollen Freund; 
viele Jahre hat er als Präsident der Vereinigung Zürcher 
Kunstfreunde und der Sammlungskommission wesent- 
lich an ihrer Entwicklung mitgewirkt. Seine persönliche 
Vorliebe galt der lyrischen Abstraktion seiner Zeitge- 
nossen; so freute er sich, dem Kunsthaus wiederholt 
Gemälde von Wilfrid Moser zu schenken, als letztes 74iga 
anlässlich seines achtzigsten Geburtstags, den er mit 
vielen Freunden im Kunsthaus feierte. Im Mittelpunkt 
seiner kleinen, von echter Kennerschaft zeugenden 
Sammlung stand eine Gruppe von Werken Mark Tobeys, 
aus der er dem Museum bereits 1989 White Writing und 
1994 Pattern of Conflict, eine zentrale Inkunabel aus der 
Zeit seiner Stilfindung um 1944, schenkte. Nun hat er 
der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde auch noch die 
drei anderen Arbeiten vermacht, so dass das ganze von 
ihm gewählte Ensemble auf Dauer zusammen bleiben 
wird. Es wird die Quintessenz des Werkes des Kammer- 
musikers unter den amerikanischen Informellen verge- 
genwärtigen und zugleich an einen der besten Freunde 
des Museums erinnern. 
Schon vor vielen Jahren fiel uns ein unscheinbares 
frühes französisches Stilleben von Jacques Linard auf, 
das in kunstvoll naiver Ordnung acht Meerschnecken 
um ein zierliches Kästchen zeigt. Wie bei den anderen 
seltenen Ergänzungen im Bereich der alten Meister tritt 
hier ein bestimmter, wesentlicher Aspekt dieser Kunst 
manifest ins Bild; hier ist es das Sammeln als geistige 
Aneignung einer äusseren Wirklichkeit. Besonders bei 
der Ausbildung der Gattung Stilleben war dies Streben 
bedeutungsvoll; es ist aber allgemein für das Museums- 
und das ganze Kunstwesen zentral. Der andere Aspekt, 
der uns an diesem Gemälde so faszinierend dünkt, ist 
seine Bildform, das Verhältnis des Dargestellten zum 
Bildrechteck als sinnvoller Gestalt, jenes für die Tafelma- 
lerei konstitutive Problem, das mit dem Postimpressio- 
nismus in den Mittelpunkt künstlerischer Überlegungen 
rückte. Nun schenkte uns Annette Bühler das kleine 
Gemälde, dessen besonderen Charme wir noch mit 
Eduard Hüttinger bewundert hatten. 
Das Geschenk bot den Anlass, eine seit längerem 
beabsichtigte Umhängung bei den Altmeistern vor- 
zunehmen. Der kleine Raum vor dem Übergang zum 
grossen Ausstellungssaal, in dem seit Jahrzehnten als 
Leihgaben vier Löwen romanischen Stils standen, ver- 
eint nun nordische spätgotische Tafeln mit Bildern der 
italienischen Frührenaissance. In der langen Galerie der 
Ruzicka-Stiftung wurde gegenüber der Heiligen Familie 
von Rubens Claude Lorrains Pastorale mit dem Konstan- 
tinsbogen und Poussins Venus und Satyren in die Schau- 
sammlung integriert, dieses, nachdem die Authentizität 
wieder allgemein anerkannt ist, jene nach ihrer Erwer- 
bung und Restaurierung. Das Gemälde von Rembrandt, 
das zuvor dort hing, kommt nun in dem kleinen 
Eckraum, flankiert von den Muschel-Stilleben von 
Linard und Kalf, in seiner meditativen Stille reiner zur 
Geltung. 
Ein weiteres Altmeister-Gemälde hat uns Frau Ger- 
:rude Riehtmann als Schenkung von Josef Brandt über- 
geben. Das reizende Portrait einer jungen Dame mit 
ihrem Hündchen vor einer Landschaft trägt die Reste 
einer originalen Signatur «... van Mieris»; dabei ist 
weniger an den bekannten Frans als an seinen früh ver- 
storbenen Sohn Jan (1660-1690) zu denken, wie mir Dr. 
R.E.O. Ekkart aus Den Haag auf Grund von Stil- und 
Signatur-Vergleichen freundlicherweise mitteilt. Damit 
gelangt erstmals ein charakteristisches Beispiel der Lei- 
dener «Fijnschilders» ins Kunsthaus, die sich bis ins 
späte 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit erfreuten, Das 
Bildnis der Gräfin Armfeld mit ihrer Tochter, ein farblich und 
psychologisch besonders ansprechendes Beispiel des 
späten, klassizistischen Stils von Anton Graff, kam 
bereits 1990 noch zu Lebzeiten von Annemarie Boveri 
ıns Kunsthaus. Dennoch wurde nachträglich die 
Zugehörigkeit zum Vermächtnis Annemarie und Walter
	        
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