Full text: Jahresbericht 1999 (1999)

Boveri angezweifelt. Nun konnte anhand neu zugängli- 
cher Akten die Frage definitiv geklärt und das Bild ins 
Inventar aufgenommen werden. Sein besonderes Inter- 
esse scheint uns darin zu liegen, dass hier wie in meh- 
reren Kompositionen Freudweilers die zeittypische 
Todesvorstellung Swedenborgs einen Ausdruck fand: das 
verstorbene Mädchen erscheint in seinem «Geistleib» 
und tröstet seine trauernde Mutter. 
Frau und Herr Adolphe Stein, dem Kunsthaus seit 
langem freundschaftlich verbunden, schenkten uns ein 
besonders schönes und repräsentatives Werk von Jong- 
kind. Selten gelingt es ihm wie hier, das Besondere einer 
Szene - das Zusammentreffen der grossen alten Segler 
mit der modernen Eisenbahn - in einem durchkompo- 
nierten Bild zu gestalten. Im exakten Erfassen der Stim- 
mung der feucht gesättigten Atmosphäre und im Reiz 
zahlreicher malerischer Feinheiten entfalten sich seine 
eigentlichen Stärken voll. Die Stellung im Werk vermag 
wie wenige andere Gemälde seinen Beitrag zur Entwick- 
lung der Landschaftsmalerei von Corot zu den Impres- 
sionisten zu vergegenwärtigen. Das Zusammentreffen 
mit der gleichzeitigen Le Havre-Ansicht von Monet wird 
im Kunsthaus den künstlerischen Dialog der beiden 
Meister exemplarisch demonstrieren. Zusammen mit 
dem ungewöhnlichen Gemälde von Boudin, das wir 
gleichfalls der Grosszügigkeit von Herrn Stein verdan- 
ken, rundet es die kleine Sammlung französischer Bilder 
des 19. Jahrhunderts vorzüglich ab. 
Auch an Geschenken aus dem Bereich der Schweizer 
Kunst fehlte es nicht: Frau Marina Staehelin-Peyer über- 
liess dem Museum ein Familien- und ein Einzelportrait 
ihres Gatten Willy Staehelin, des langjährigen Präsi- 
denten der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, gemalt 
von Varlin. Aus dem Hause Vitali kamen zwei charakte- 
ristische Skulpturen von Antonio Vitali, dem bekannten 
Entwerfer von Spielzeugen. Frau Lienhard vermittelte 
die programmatischen Schriftrollen von Aldo Walker 
aus seiner Installation im Helmhaus 1989. Die ebenfalls 
im Berichtsjahr angefallenen, grosszügigen Legate von 
Hugo Peters, Marta Meyer-Wagner und Irene Rüegg 
konnten noch nicht abschliessend bearbeitet werden; 
ihre Würdigung bleibt dem nächsten Jahresbericht vor- 
behalten. Wir möchten auch an dieser Stelle den 
Schenkgebern und Förderern der Sammlung herzlich 
danken. 
Bei den Neuerwerbungen ist wiederum an erster Stelle 
eine Skulptur von Bruce Nauman zu nennen, Model for 
Outdoor Piece, 1976, das das im Vorjahr erworbene Model 
for Tunnel: Square to Triangle aufs glücklichste ergänzt. Es 
handelt sich hier um das erste Werk Naumans mit 
Modellcharakter; der architektonische Aspekt ist in dem 
anspielungsreichen Mauergeviert noch dominant. Seine 
psychophysische Aussage wird durch die Dimensionsan- 
gaben, die die Durchgänge als eher für Hunde denn für 
Menschen geeignet erscheinen lassen, verschärft. Die 
Vertiefung in der Mitte weist auf mehrere Bodenarbeiten 
und die Tendenz zu unterirdischen Vorstellungen 
voraus, wie sie in der Serie der Tunnel-Modelle weiter 
verfolgt wird. - Aus der sehr erfolgreichen Ausstellung 
von Hanny Fries haben wir das charmante Gemälde mit 
dem so charakteristischen Sujet Die geschlossenen Kioske 
ausgesucht. Die mittlere Generation ist mit Beat Zodereı 
vertreten, der in immer wieder neuer, überraschender 
Weise die Ansätze der konstruktiven und konkreten 
Kunst mit vorgefundenen, alltäglichen Materialien wei- 
terentwickelt, gewissermassen Lohse durch die Augen 
Schwitters gesehen. Ganz ähnliches findet sich bei 
frühen Arbeiten Thomas Hirschhorns, doch durch ihren 
inhaltlichen Themenbezug erhalten seine neueren Akku- 
mulagen einen prinzipiell anderen Charakter. Die 
Zusammenstellung 33 Ausstellungen im öffentlichen Raum 
1998-1989 erhält als Dokumentation zahlreicher solcheı 
[nstallationen und ihres ephemeren Daseins ein beson- 
deres Interesse; es ist quası eine Meta-Akkumulage. 
Bei den Photographien hat Olaf Breuning mit seinem 
anspielungsreichen Gruppenbild mit Freunden Zhey 
Live!, 1999, einen neuen Grössenrekord aufgestellt. Die 
Gruppe Junge Kunst, ın verjJüngter Zusammensetzung, 
konnte zwei umfangreiche Werke aus diesem Bereich 
erwerben. Olafur Eliassons Inselserie zeichnet sich durch 
formale Präzision wie durch poetische Evokationskraft 
aus: eine Serie von 7 mal 6 Aufnahmen kleiner Inseln, 
die der landschaftlichen Sensibilität des Isländers offen- 
sichtlich besonders entsprechen. Die Diaprojektion 
Müushrooms von Fischli/Weiss lässt Pilzbilder in wunder-
	        
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