aines Bildes ein Thema, über das er sich, wie wir aus
überlieferten Gesprächen und Briefen wissen, immer
wieder Gedanken gemacht hatte: er sprach von «reali-
sation». Aber auch in der Literatur über den Künstler
hat die Tatsache, dass zahlreiche Gemälde in einem
herkömmlichen Verständnis nicht zu ende gemalt wa-
ren, zu einer Vielzahl von diesbezüglichen Interpreta-
tionen und auch Mutmassungen geführt. Dabei ist ge-
rade das Medium Ausstellung wie kein anderes geeig-
net, dieser komplexen Problematik nachzugehen,
denn das gewollte oder vermeintliche «non finito» ei-
nes Bildes kann nur in der intensiven Auseinanderset-
zung mit dem Original ermessen werden. Wenn es oft
schwierig bis unmöglich erscheint, zu entscheiden, ob
eine Leinwand aus äusseren, nichtkünstlerischen
Gründen in unfertigem Zustand liegengeblieben ist,
oder ob nicht viel eher die Angst, die einmal erreich-
te Balance der einzelnen Farbflächen zu gefährden,
den Künstler daran gehindert hat, weiterzumalen,
dann kann das einfühlsame Studium vor dem Origi-
nal weiterhelfen: man sieht die Unterschiede, die zu
beschreiben grösste Mühe bereiten. Um dem Betrach-
ter diese visuelle Herausforderung zu erleichtern, ha-
ben sich die Veranstalter entschlossen, aus diesem
Oeuvre, das sich keineswegs durch Themenvielfalt
auszeichnet, einzelne Sujets in mehreren Fassungen
zu zeigen, um die unterschiedlichen Realisierungsstu-
fen nachvollziehbar werden zu lassen. In diesem Sin-
ne konnten höchst eindrückliche Werkreihen zusam-
mengestellt werden; so etwa das Portrait der Gattin
des Künstlers (10 Ölbilder), die Auseinandersetzung
aus der spätesten Schaffensperiode mit dem Gärtner
Vallier (4 Bilder und 7 Aquarelle — in vergleichbarer
Dichte zuvor noch nie in einer Ausstellung vereinigt)
oder das zurecht berühmteste Landschaftsmotiv
Cezannes, die Montagne Sainte-Victoire (4 Gemälde
und 8 Aquarelle).
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit
dem Kunstforum Wien. Sie wurde konzipiert von
Evelyn Benesch, Walter Feilchenfeldt, Klaus Albrecht
und dem Unterzeichneten. Die Erstpräsentation in
Wien verzeichnete einen durchschlagenden Publi-
kumserfolg, der sich in Zürich in leicht schwächerem
Masse wiederholte, obwohl hier die Ausstellung in
deutlich reichhaltigerer Weise gezeigt werden konnte
und dank einem ausgeklügelten System von hellen
und abgedunkelten Wandpartien die lichtempfindli-
chen Aquarelle neben den dazugehörigen Ölgemäl-
den plaziert wurden. Rege benutzt wurde unser Au:
dioguide-System, das sich einmal mehr bewährt hat;
ein vielseitiges Angebot an Shop-Artikeln hat nicht
zuletzt auch zum finanziellen Erfolg der Ausstellung
beigetragen. FB
magnum°® essais sur le monde
Zum zweiten Mal waren die Photographen der welt:
berühmten Agentur Magnum im Kunsthaus zu Gast.
magnum®, essais sur le monde bot keinen fotohistori
schen Rückblick, sondern dokumentierte Zeitge:
schichte: über 400 Bilder der 56 Fotografen der Agen:
tur boten ein Bestandsaufnahme der Welt in der De:
kade nach dem Mauerfall. Die 1947 begründete, le:
gendäre Pariser Fotoagentur schilderte die wechselvol-
le Dekade aber nicht anhand von Bildern vergangener
Tagesaktualität: Die meisten der gezeigten fotografi-
schen Essays sind über mehrere Jahre hinweg entstan-
den und zielen auf inhaltliche Durchdringung, nicht
auf Spektakel und Sensation. Mithin bot die Ausstel-
lung auch Anlass, sich die ungebrochene Vitalität und
die spezifische Leistungsfähigkeit der angesichts deı
jüngsten medialen Errungenschaften schon so oft tot-
gesagten dokumentarischen Fotografie zu vergegen:
wärtigen. Neben weltberühmten Magnum-Mitglie-
dern wie Henri Cartier-Bresson, Rene Burri, Inge Mo-
rath oder Elliott Erwitt war auch die jüngere Genera-
tion von Fotografinnen und Fotografen sehr stark prä-
sent.
Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile. Der erste
beschäftigt sich mit der Beständigkeit zum Teil uralter
religiöser und gesellschaftlicher Rituale in einer sich
täglich verändernden und zur Homogenisierung stre-
benden Welt. Der zweite Teil bietet einen Rückblick
auf die katastrophalen Ereignisse, die chaotischen und
zerstörerischen Kräfte, welche der Zusammenbruch