Full text: Jahresbericht 2000 (2000)

aines Bildes ein Thema, über das er sich, wie wir aus 
überlieferten Gesprächen und Briefen wissen, immer 
wieder Gedanken gemacht hatte: er sprach von «reali- 
sation». Aber auch in der Literatur über den Künstler 
hat die Tatsache, dass zahlreiche Gemälde in einem 
herkömmlichen Verständnis nicht zu ende gemalt wa- 
ren, zu einer Vielzahl von diesbezüglichen Interpreta- 
tionen und auch Mutmassungen geführt. Dabei ist ge- 
rade das Medium Ausstellung wie kein anderes geeig- 
net, dieser komplexen Problematik nachzugehen, 
denn das gewollte oder vermeintliche «non finito» ei- 
nes Bildes kann nur in der intensiven Auseinanderset- 
zung mit dem Original ermessen werden. Wenn es oft 
schwierig bis unmöglich erscheint, zu entscheiden, ob 
eine Leinwand aus äusseren, nichtkünstlerischen 
Gründen in unfertigem Zustand liegengeblieben ist, 
oder ob nicht viel eher die Angst, die einmal erreich- 
te Balance der einzelnen Farbflächen zu gefährden, 
den Künstler daran gehindert hat, weiterzumalen, 
dann kann das einfühlsame Studium vor dem Origi- 
nal weiterhelfen: man sieht die Unterschiede, die zu 
beschreiben grösste Mühe bereiten. Um dem Betrach- 
ter diese visuelle Herausforderung zu erleichtern, ha- 
ben sich die Veranstalter entschlossen, aus diesem 
Oeuvre, das sich keineswegs durch Themenvielfalt 
auszeichnet, einzelne Sujets in mehreren Fassungen 
zu zeigen, um die unterschiedlichen Realisierungsstu- 
fen nachvollziehbar werden zu lassen. In diesem Sin- 
ne konnten höchst eindrückliche Werkreihen zusam- 
mengestellt werden; so etwa das Portrait der Gattin 
des Künstlers (10 Ölbilder), die Auseinandersetzung 
aus der spätesten Schaffensperiode mit dem Gärtner 
Vallier (4 Bilder und 7 Aquarelle — in vergleichbarer 
Dichte zuvor noch nie in einer Ausstellung vereinigt) 
oder das zurecht berühmteste Landschaftsmotiv 
Cezannes, die Montagne Sainte-Victoire (4 Gemälde 
und 8 Aquarelle). 
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit 
dem Kunstforum Wien. Sie wurde konzipiert von 
Evelyn Benesch, Walter Feilchenfeldt, Klaus Albrecht 
und dem Unterzeichneten. Die Erstpräsentation in 
Wien verzeichnete einen durchschlagenden Publi- 
kumserfolg, der sich in Zürich in leicht schwächerem 
Masse wiederholte, obwohl hier die Ausstellung in 
deutlich reichhaltigerer Weise gezeigt werden konnte 
und dank einem ausgeklügelten System von hellen 
und abgedunkelten Wandpartien die lichtempfindli- 
chen Aquarelle neben den dazugehörigen Ölgemäl- 
den plaziert wurden. Rege benutzt wurde unser Au: 
dioguide-System, das sich einmal mehr bewährt hat; 
ein vielseitiges Angebot an Shop-Artikeln hat nicht 
zuletzt auch zum finanziellen Erfolg der Ausstellung 
beigetragen. FB 
magnum°® essais sur le monde 
Zum zweiten Mal waren die Photographen der welt: 
berühmten Agentur Magnum im Kunsthaus zu Gast. 
magnum®, essais sur le monde bot keinen fotohistori 
schen Rückblick, sondern dokumentierte Zeitge: 
schichte: über 400 Bilder der 56 Fotografen der Agen: 
tur boten ein Bestandsaufnahme der Welt in der De: 
kade nach dem Mauerfall. Die 1947 begründete, le: 
gendäre Pariser Fotoagentur schilderte die wechselvol- 
le Dekade aber nicht anhand von Bildern vergangener 
Tagesaktualität: Die meisten der gezeigten fotografi- 
schen Essays sind über mehrere Jahre hinweg entstan- 
den und zielen auf inhaltliche Durchdringung, nicht 
auf Spektakel und Sensation. Mithin bot die Ausstel- 
lung auch Anlass, sich die ungebrochene Vitalität und 
die spezifische Leistungsfähigkeit der angesichts deı 
jüngsten medialen Errungenschaften schon so oft tot- 
gesagten dokumentarischen Fotografie zu vergegen: 
wärtigen. Neben weltberühmten Magnum-Mitglie- 
dern wie Henri Cartier-Bresson, Rene Burri, Inge Mo- 
rath oder Elliott Erwitt war auch die jüngere Genera- 
tion von Fotografinnen und Fotografen sehr stark prä- 
sent. 
Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile. Der erste 
beschäftigt sich mit der Beständigkeit zum Teil uralter 
religiöser und gesellschaftlicher Rituale in einer sich 
täglich verändernden und zur Homogenisierung stre- 
benden Welt. Der zweite Teil bietet einen Rückblick 
auf die katastrophalen Ereignisse, die chaotischen und 
zerstörerischen Kräfte, welche der Zusammenbruch
	        
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