Full text: Jahresbericht 2000 (2000)

ven konzentrierte sich die vom Kunsthaus Zürich or- 
zanisierte Ausstellung zum ersten Mal auf den für Ja- 
wlenskys weiteres Schaffen prägenden Abschnitt: die 
Jahre 1914 bis 1921, die er in der Schweiz verbrachte, 
in denen er sich vom Expressionismus des Frühwerks 
befreite und zu seiner eigenen, verinnerlichten Gestal- 
«ungsweise fand. In dieser Phase formulierte er sein 
zentrales Thema neu: die Darstellung des menschli- 
chen Gesichts. In einem langwierigen Prozess der 
ständigen Reduktion entwickelte er ein überindividu- 
alles Antlitz, das in seiner Frontalität und Flächenge- 
bundenheit auf die ursprüngliche Christus-Ikone ver- 
weist. 
Seine Kontakte waren in der Schweiz zwar sporadi- 
scher geworden, doch traf er auch hier auf Gleichge- 
sinnte aus allen künstlerischen Sparten; von St-Prex 
aus besuchte er Hodler, Klee, Strawinsky und Amiet. 
In Zürich vertiefte er die Freundschaft mit dem Tän- 
zer Alexander Sacharoff, begegnete dem Musiker Fe- 
ruccio Busoni und pflegte regen Kontakt mit den Pro- 
tagonisten des Cabaret Voltaire. Hier lernte er auch 
den deutschen Bildhauer Wilhelm Lehmbruck ken- 
nen. In Ascona schliesslich pflegte er freundschaftli- 
chen Austausch mit Arthur Segal. Die Werkauffassung 
und Gestaltungsweise einiger dieser Künstler weisen 
erstaunliche Entsprechungen zu Jawlenskys neuer Ori- 
entierung auf. Dennoch will die Ausstellung nicht Be- 
einflussungen aufdecken. Die Gemälde, Zeichnun- 
zen, Druckgraphiken und Plastiken sollen sich zur 
Zwiesprache treffen, um die Berührungspunkte sicht- 
bar und das Zeitklima von Jawlenskys Schweizer Jah- 
ren nachvollziehbar zu machen. Auch andere Künst- 
ler wählten, wenigstens zeitweise, das Gesicht als Trä- 
ger von spirituellen Inhalten und fanden dafür eine 
von jeglichem Abbildcharakter befreite Darstellungs- 
‘orm, so Klee in seinem introvertierten Selbstporträt 
«Versunkenheit» oder Sophie Taeuber-Arp mit ihrer 
eiförmigen Plastik «Dadakopf, Portrait von Hans 
Die Ausstellung wurde von der Fondation de l’Her- 
mitage in Lausanne und dem Wilhelm Lehmbruck 
Museum in Duisburg übernommen. Sie entstand in 
Zusammenarbeit mit Angelika Affentranger-Kirch- 
rath, die diese Periode Jawlenskys und den künstleri- 
schen Austausch jener Jahre untersucht hat. Ihre Stu- 
die erschien gleichzeitig als Buch. Sie wirkte auch bei 
der Einrichtung der Ausstellung mit, die sich eines re- 
gen Besuches erfreute. BvW
	        
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