quis» bei spi elhaft verkörpert. In einer rational ge präg-
ten Ep oche wagte es Sade, wie späte r die Surrealisten,
die Reiche seiner Phantasie höher zu stelle n als die
nüchterne Wirklichkeit.
Die surrealistischen Bilder zuSade andererseits stel-
len sich in eine T radition erotischer Phantastik seit dem
Manierismus. V ornehmlich stützen sie sich dabei auf
das reiche schauerromantisch-erotische Bildrepertoire
des ausgehen de n 18. Jahr hund erts, der fran zösischen
Romantik, des Jugendstils und des S ymbolismus. Wei-
ter fli eßen Inspirationen aus pornografischen Buc hil-
lustrationen ein, vermengt mit der seltsamen Bildwelt
der f rühen wissenschaftlichen S exualp atholo gie sowie
der im 19. Jahrhundert einsetzenden fo togr afischen
Ikonographie einer sadomasochistischen Subkultur
mit ihren P eitschen, Ketten und Ledermasken.
Die im Obergeschoss des A ltbaus präsentierte
Ausstellung erhe llte mit 130 Kunstwerken, über 100
Manuskripten, 50 Zeitschriften und illustrierten
Büche rn Sades V orläu ferschaft für die Surrealisten. In
Zusammenarbeit mit den Sade-Übersetzern und Sade-
Kennern S tefan Zweifel und Mi chael Pfi ster konzi-
piert, zeigte sie neben der reichen, von Sade inspirier-
ten kü nstler ischen Produktion der Surrealisten auch
deren histo rische n T raditionszusammenhang bis zu-
rück zur Spätzeit des Rokoko. Dazu trat eine reichhal-
tige Auswahl von Dokumenten zu Sades Leben , Erst-
ausgaben seiner Schriften sowie eine grosse Zahl der
allei n schon visuell faszinierenden Bri efe und Manu-
skripte. Eine von Johannes Gfelle r konstruierte Lese-
maschin e garantierte, dass nicht nur Bilder, son dern
auch Texte (von Sade selbst, aber auch von Dichtern
des Surrealismus) in den abgedunkelten Räumen auf
spektakuläre Weise zur Geltun g gelangten. TB
AUSSTELLUNGEN IM GRAPHISCHEN KABINETT
Karikaturen – von Hogarth bis Daumier
Kaum ein Gebie t der bildenden Kunst hat von der
Physiognomik mehr profitiert als die Karik atur . Paral-
lel zur Lavater-Ausstellung zeigten wir deshalb im
G rap hischen Kabin ett eine Auswahl von Meisterblät-
tern der beiden grössten Karikaturisten vor und nach
L avater .
Die eigentliche Blütezeit der Karikatur beginnt mit
dem englischen Maler und Stecher William Hogarth
(1697 –1764 ), von dem einige der berühmtesten Blät-
ter aus unserer Sammlung und ihre Wirkung auf die
lokale Kunstszene um 1800 gezeigt wurden. Der von
ihm begründete «offene» Karikaturbegriff setzte sich im
allgemeinen Sprachgebrauch auch auf dem Kontinent
durch. Mit der Bedeutungsverschiebung des Begriffs
Karikatur von einer Kunstform der N aturnachahmung
zu einer Kunstform der freien Erfindung wurde sie im
19. Jahrhundert zu einer W egbereiterin der modernen
Kunst. Die Grenzen zwischen Kunst und Karikatur ,
aber auch zwischen Kunst und Unterhaltung sind spä-
testens seit Honoré Daumier ( 1808– 1879) – dem bis
heute überragendsten und gleichzeitig populärsten
Meister unter den Künstlerkarikaturisten – fliessend
geworden. Aus dem reichen Fundus unserer Daumier-
Bestände wählten wir Blätter aus den Serien «La Cari-
cature», «Galerie physionomique», «Caricaturana»,
«Les Gens de Justice», «Physionomies tragiques» und
«Physionomies des Chemins de fer». BvW
Meisterwerke aus der Gr aphische n Sam mlung
P arallel zur Ausstellung Bilderschatz zeigten wir im
G rap hischen Kabinett aus unserem B estand fünfz ig
Werke auf Papier von berühmten Meistern aus dem
15. bis 21. Jahrhundert. Im Altmei stersaal bestimmte n
wenige W erkgruppen das Bild. Durch die einheitlichen
Formate und die an landschaftlichen und figürlichen
T hemen orientierten D arstellu ngsi nhalte entstand ein
geschlossener Gesamteindruck. Ausgewählt wurden
Aquarelle, ausge führte Zeichnungen und grap hische 16