82
GROSSE FO T OGRAFIEN VON JEAN-MAR C
BUST AMANT E UND BAL THASAR BURKHARD
Dank einer Schenkung von Herrn Gustav Zumsteg
und durch einen An kauf gelangten zwei grossformatige
F arbfotografien des franz ösischen Künstlers Jean-Marc
Bustamante (*1952 in T o ulouse, lebt in P aris) in die
Sammlung. Bustamante macht e Anf ang der 90er Jahre
zun ächst mit konzeptuellen, plastisch-installativen Ar-
bei ten auf sich aufmer ksam. Er began n seine Karriere
jedo ch mit einer Ausbildung als F ot ograf und einer
anschliessenden Assistenz bei William Klei n. Dem
ta bleau als Objek t und als Signifikant galt seine erste
Aufmerksamkeit, und es zeichnet Bustaman tes Arbei-
ten auch nach seiner Rückkehr zur Fotografie aus, dass
sie mit den S pannungsverhältnissen zwi schen D arstel-
lung und Dargestelltem operieren. Di esem Interesse
folgt auch die zehnteilige Serie L.P.aus dem Jahr 2000,
zu der unsere beiden Arbeiten gehören. Die F ot ogra-
fien zeigen allesam t Ansichten von Schweizer Seen, seit
der romantischen Reiseliteratur und den Malern des
späte n 18. Jahrhunderts Topos beruhigter Naturgewalt
und kraft menschli chen Fleisses idyllisch gebändigter
Urwelt, heute Basisrepertoire einer routinemässig pro-
duzierenden Postkarten- und Kalenderindustrie.
Die Schönheit der Schweizer Landschaft präsentiert
sich bei Bustaman te im Monumentalformat. Die Em-
phase der Darbietung wird aber aufgehoben in eine
melan choli sche Reflexion d arüber , dass die Welt ja
kein Guckkasten ist. Seine fotografische Erlebnislyrik
ist eher baro ck denn romantisch ge färbt: Der Züri ch-
see von Tiefenbrunnen aus gesehen (L.P. IV) mahnt
durch einen Nebelschleier und das Repoussoir eines
zerfetzten Lu ftballon s hindurch hinter dem N atur-
schön en die Hinfälligkeit des M enschli chen an. Ein
trübes Stillleben aus Lastkahn , Container und B aukran
imprägniert die kr istalli ne Vierwaldstätterseeland-
schaft von L.P. II (Abb. 13) mit dem V ergänglichkeits-
appell eines barocken Stilllebens, gemäss der von
Bustamante als Motto der gesamten Serie zitierten In-
tuition Jean P aulhans in seinem Guide d’un petit voyage
en Suisse: «Wie denn, es ist nicht so leic ht zu leben.»
Ein Ankauf und zwei Daue rlei hgaben des Kantons Zü-
rich brachte n auch eine kraftvolle kleine W erkgruppe
von 1999 des F oto grafen Balthasar Burkhard (*1944 in
Bern) in die Sammlung. Burkhard hat in den achtziger
Jahren Möglichkeiten der Erweiterung des fotografi-
schen Bi ldes ins R äumliche erprobt. Eine wichtige Ar-
beit aus di eser W erkphase, ein monumentaler Armvon
1988, wurde vom Kunsthaus 1991 angekauft. Seit
Ende der neunziger Jahre foto grafi ert Burkhard von ei-
nem gemieteten Helikopter aus mit einer Kleinbildka-
mera und in Schwarzweiss Wüsten und Stadtland-
schaften. Der Künstle r warte t dabei nicht das bekannte
F otoflugwetter ab; es entstehen nicht Luftaufnahmen,
die gemäss der hero ischen T radition, w elche die Ge-
schi chte von Aviatik und Fotografie verbindet (man
denke an Emil Schulthess), die ornamentale Schönheit
der Welt aus der V ogelperspektive besingen. Mexico
City und Los Ang eles, die beiden Metropolen in der
Wüste, zeigt Burkhard als die Zivilisationswüsten, die
sie sind (Mexico City (Häuser), Abb. 14; Mexico City
(Diagonale ), Abb. 15; Los Angeles). Der Russ in der
Luft, der sie unter einem stets g räuli ch-gelbliche n
Himmel leben lässt, schlägt sich in opak en Schleiern
auf dem Fotopapier nieder. Die graphische Qualität
der urbane n und suburbane n Strukturen hat nichts Er-
bauli ches und T riumphales, ebenso fehlt aber auch jeg-
licher zivilisationskritische M or alismus. In den Foto-
grafien verschw in det schlic ht der U nterschied der
Wüsten und der Städte, die Assoziationen lösen sich in
Bildern auf, die sich als fotografische Gradierung von
Schwärze jenseits von Narrativem und Deskriptivem
selbstän dig machen. Tobia Bez zola