Full text: Jahresbericht 2002 (2002)

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Die Documenta in Kas sel darf wohl als das wich- 
tigste Er eignis des l etzten Jahres im Bereich der 
Gegenwartskunst bezeichnet werden; sie brachte vor 
allem eine weltweite Öf fnung der bishe r meist auf 
Europa und Nordamerika eingeschränkten Wahr- 
nehmung der a ktuell en Kunst-Produktion und eine 
Aufwertung inha ltlic h-k o nzeptuell er, oft politischer 
Aspekte gegenüber primär formalen Fragestellungen. 
Damit sind weitreichende, wohl irreversible und lang- 
fristige T e ndenzen genannt, die auch auf unsere 
Samml ung Auswirkungen haben werden. Es gela ng, 
quasi als Scharnier-W erk zu einer solchen E ntwick- 
lung, eine der eindr ücklichs ten der für die Document a 
geschaffe nen Arbeiten zu erwerben, die «Cazue las 
(Beginnings)» des Mexikaners Gabriel Orozco, eine 
grosse Gr uppe roher Keramikgefäs se, die in die 
Anfänge der menschlichen Kultur zurückreichende 
und in Stamme skul tur en noch stets gebräuchliche 
Herstellungsweisen mit heutigen künstlerischen Über- 
legungen verbindet. In unserer Sam mlung schliesst 
sie an die bedeut enden skulpturalen Ensembles von 
Beuys, N auman, Cy Twombly oder Giacometti an, die in 
ganz unterschiedlicher Weise mit ursprünglic he n, 
ar chaischen, elementaren Vorstellungen oder Formen 
allgemein menschlichen Befindlichk eiten gestalt- 
haften Ausdruck verleihen. Drei in Afrika ents tanden e 
F otografien unterstreichen den weitgespannten, 
anthropologischen Horizont der Arbeit Orozcos. 
Die Präse ntation der Samml ung war durch die 
Umbautätigkeiten be ein trächtigt. Parterre und hint er er 
Teil des ersten Obergeschos ses des Neubaus blieben 
weiterhin durch das provisorische Depot blockiert. Der 
1968 errichtete Seerosensaal wurde im Oktober 
geräumt, da er zum Bauperimeter des Bührl etra ktes 
gehört; sein Schicksal ist ungewiss. Dadurch wurde 
eine N eugrup pierung der Werke des Impr es s ionismus 
und der klas sischen M oderne no twendig: Im Raum vor 
dem Seerosensaal hängen die in den l etzten Jahren 
vermehrten Werke von Matisse und der Fauves den 
Gemälden ihres grossen V orbilds van Gogh gegenüber, 
zum grösseren Teil sehr bede utende, längerfristige 
Leihgaben. Im Rampensaal fo lgen die Impressio- 
nisten, Cézan ne, Gauguin und die N abis; die Seerosen- 
bilder geniessen im Bärsaal Gastrecht. Picasso, Léger 
und Miró erreicht man im Neubau nach einer 
Zw ischenzone mit den Surrealisten, wo zuvor Giaco - 
metti p räs entiert wurde. Im ersten Obergeschoss wur- 
den nach der Schlies sung des grossen Ausstellungs- 
saales mehrere Ausstellungen gezeigt, die im 
nächsten Kapitel beschrieben werden und für die 
w es entliche Sammlungsteile vorübergehend wegge- 
räumt werden mussten. Dafür k onnten im Raum 
hint er der Eingangsha ll e im Frühjahr zwei Accrocha- 
gen mit neueren Erwerbungen präsentiert werden: 
Zunächst die letztjährigen Geschenke des Mireille 
Wunderly-F onds für Gegenwartskunst, kombiniert mit 
dem «Susi Shop» von Mickry 3, und anschliessend 
neuere Malerei aus der Sammlung, ergänzt mit pote n- 
ziellen und realisierten Neue rwerbungen. Im Dezem - 
ber fo lgten im gleichen Raum die Hauptwerke aus dem 
Füssli-Saal. 
Der Leihve rk ehr ging mit 74 Gemä lden und Sk ulp- 
turen und 90 Arbeiten auf Papier deutlich zurück. Die 
Entwicklung spiegelt die etwas w eniger leihfreudige 
Politik der Direktion angesichts der sehr starken 
Belastung des technischen Dienstes durch die Bau- 
massnahmen und die häufigen Verschiebungen in der 
Sa mmlung durch die dort organisierten Aus stellun- 
gen. Die umfangreichste Leihgabe, 25 Blätter, erhielt 
die von Bernhar d von Waldkirch organisierte Ausstel- 
lung «Liebes zauber» im Haus zum Kiel im Rahmen 
der Serie «Liebes kuns t» des Museums Rietberg, ge- 
folgt von den 19 Werken für Harald Szee manns 
Duchamp-Aus stellung im Museum Jean Tinguel y . 
Viele Leihgaben gehen an kleine Schweizer Ausstel- 
lungsinstitute, und auch die Pariser Museen sind treue 
Kunden , während nach USA gerade noch ein einziges 
Gem älde flog. – Das von der Schwyze r St iftung geför- 
derte, mehrjährige Projekt eines vollständigen Samm- 
lungskataloges wurde vor allem durch die Bearbeitung 
der Daten durch F ranzis ka Lentzsch und die bildlic he 
Erfas sung der Werke durch Cécile Brunner und Arthur 
Faust vorangetrieben. ChK
	        
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