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THEODOR VON HOLST
Das Bild «Bertalda, von Kühleborn erschreckt» von
Theodor von Holst (1810–1844) gibt eine Szene aus
dem 13. Kapitel aus «Undine» von Friedrich de la Motte-
F ouqué wieder. Zuerst veröffentlicht 1811 in den
«Kuns tmär chen», handel t die Erzählung von einem an
Kindesstatt angenomm enen, schönen, aber ohne
«Seele» geborenen Mädchen, das bei alten Fischers -
leuten aufwächs t, sich al sbald in einen Ritter namens
Huldbrand verliebt und durch seine Liebe in Besitz
einer Seele kommt. Als die frühere Geliebte des Rit-
ters, Berta lda, auf den Plan tr itt, wird beka nnt, dass
diese die leibliche Tochter der F ischer ist; zu dritt rei-
sen sie auf das Schloss Huldbrands. Dort ve rliebt sich
der Ritte r erneut in die verflossene Geliebte. In den
Gemäuern des Schlosses er scheinen ihr Geister, da-
runt er Undines OnkelKühleborn,und ängstigen sie. Die
Szene spiel t in einem flachen, bühne nart igen Innen-
raum von schmalen Proportionen, der nach vorn durch
ein achsialsymmetrisches, ornament al ge schweiftes
Gitter begrenzt wird. In der Mitte steht Berta lda, eine
junge, etwas füllige Schönhe it mit rotem Haar, makel-
los hell em Teint und weit aus einanders t ehende n,
schreckgeweiteten Auge n. Obwohl sie den Betrachter
frontal anblickt, befindet sich der eigentliche Grund
ihres Erschreckens links ausserhalb des Bildraumes,
wo auf halber Höhe eine fahl e, überdimensionale Män-
nerhand zu sehen ist, die auf Bertalda s rechte, ent-
blösste Brust zeigt : hier steht Kühl eborn! Damit nicht
genug, ein Entweichen scheint unmöglich, da sich hin-
ter Bertalda, aus schlecht beleuchteten Kulis sen, vier
ander e F ratzen des proteushaften Wassergeistes
nä hern, die unsere Heldin berühren, und r echts vorne
zerrt eine Hand uns anft an ihrem Schleier . Unter dem
weiten Schwung des lachsroten Gewandes zeichnet
sich ein kräftig modelliertes Bein ab, das wohl ver-
sehentlich (oder vor Schreck?) auf einen soge nannte n
Goblin tritt , aus einer Spezies äus serst una ngenehm er
Hausgeister, die sich in englischen Vorratskammern
zu schaffen machen. Obwo hl das Bild sich nur auf eine
kurze Passage des Textes bezieht, fängt es doch die
dunkle Atmosphäre ein, die das Geschehen der
r o mantischen Erzählung prägt und bis ins Groteske
übe rs teigert ist.
Für den englischen Geschmack passte «Undine»
in das Genre der Schauerromane, die sich seit der
Wende zum 19. J ahrhundert höchster Be liebtheit er-
freuten und zahlreiche bildende Künstler ins p irierten,
allen voran J ohann Heinrich Füs sli, dessen dam als
bekanntester Schüler Theodor von Holst war. Er wuchs
in London als Sohn baltischer Eltern auf, die sich 1820
mit Füs sli anfr eunde ten, dem Ke eper und Professor an
der Royal Acade my . Füssli nahm den jungen The odor
als Schül er auf, und von nun an blieb von Hols ts
Lebensweg eng mit der Royal A cademy und den dort
tätigen Künstlern verbunden. Obwohl taktvolle Zeitge-
nossen seinen Lebens wande l als «unstet» bezeichne-
ten, war er ein pr oduktiver und in s einer nur wenige
Jahre umfassenden Reifezeit ein erfolgreicher Maler
und Grafik er . Seine Lebens ums tände gaben zu zahl-
reichen Anekdoten Anlass, so war er eng befreundet
mit Thoma s Griffiths Wainewright, gl eichfal ls ein
Schüler von Füssli, dem vorgeworfen wur de, das
Leben s einer Schwägerin, Helen Aber cr ombie – sie
war von Hol sts Modell für «Bertalda » – 1830 zunächs t
hoch versichert und sie dann mit Gift umgebracht zu
ha ben, um die Versicherungssumme zu kassieren.
W a inewright, der 1833 Goethes «Faust» ins Englische
übersetzte, floh nach Frankreich, wurde nach seiner
Rückkehr 1837 (dem Krönungsjahr von Königin Victo-
ria) von s einem Jugendfreund aufgenommen und bald
w ieder v erhaftet, weil er ver sucht hatte , die Bank von
England aus zurauben. Diese bewegten Jahre fallen
zusammen mit einer intens iven und von Erfolg beglei-
Hinweise auf einige Neuerwerbungen