Full text: Jahresbericht 2002 (2002)

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THEODOR VON HOLST 
Das Bild «Bertalda, von Kühleborn erschreckt» von 
Theodor von Holst (1810–1844) gibt eine Szene aus 
dem 13. Kapitel aus «Undine» von Friedrich de la Motte- 
F ouqué wieder. Zuerst veröffentlicht 1811 in den 
«Kuns tmär chen», handel t die Erzählung von einem an 
Kindesstatt angenomm enen, schönen, aber ohne 
«Seele» geborenen Mädchen, das bei alten Fischers - 
leuten aufwächs t, sich al sbald in einen Ritter namens 
Huldbrand verliebt und durch seine Liebe in Besitz 
einer Seele kommt. Als die frühere Geliebte des Rit- 
ters, Berta lda, auf den Plan tr itt, wird beka nnt, dass 
diese die leibliche Tochter der F ischer ist; zu dritt rei- 
sen sie auf das Schloss Huldbrands. Dort ve rliebt sich 
der Ritte r erneut in die verflossene Geliebte. In den 
Gemäuern des Schlosses er scheinen ihr Geister, da- 
runt er Undines OnkelKühleborn,und ängstigen sie. Die 
Szene spiel t in einem flachen, bühne nart igen Innen- 
raum von schmalen Proportionen, der nach vorn durch 
ein achsialsymmetrisches, ornament al ge schweiftes 
Gitter begrenzt wird. In der Mitte steht Berta lda, eine 
junge, etwas füllige Schönhe it mit rotem Haar, makel- 
los hell em Teint und weit aus einanders t ehende n, 
schreckgeweiteten Auge n. Obwohl sie den Betrachter 
frontal anblickt, befindet sich der eigentliche Grund 
ihres Erschreckens links ausserhalb des Bildraumes, 
wo auf halber Höhe eine fahl e, überdimensionale Män- 
nerhand zu sehen ist, die auf Bertalda s rechte, ent- 
blösste Brust zeigt : hier steht Kühl eborn! Damit nicht 
genug, ein Entweichen scheint unmöglich, da sich hin- 
ter Bertalda, aus schlecht beleuchteten Kulis sen, vier 
ander e F ratzen des proteushaften Wassergeistes 
nä hern, die unsere Heldin berühren, und r echts vorne 
zerrt eine Hand uns anft an ihrem Schleier . Unter dem 
weiten Schwung des lachsroten Gewandes zeichnet 
sich ein kräftig modelliertes Bein ab, das wohl ver- 
sehentlich (oder vor Schreck?) auf einen soge nannte n 
Goblin tritt , aus einer Spezies äus serst una ngenehm er 
Hausgeister, die sich in englischen Vorratskammern 
zu schaffen machen. Obwo hl das Bild sich nur auf eine 
kurze Passage des Textes bezieht, fängt es doch die 
dunkle Atmosphäre ein, die das Geschehen der 
r o mantischen Erzählung prägt und bis ins Groteske 
übe rs teigert ist. 
Für den englischen Geschmack passte «Undine» 
in das Genre der Schauerromane, die sich seit der 
Wende zum 19. J ahrhundert höchster Be liebtheit er- 
freuten und zahlreiche bildende Künstler ins p irierten, 
allen voran J ohann Heinrich Füs sli, dessen dam als 
bekanntester Schüler Theodor von Holst war. Er wuchs 
in London als Sohn baltischer Eltern auf, die sich 1820 
mit Füs sli anfr eunde ten, dem Ke eper und Professor an 
der Royal Acade my . Füssli nahm den jungen The odor 
als Schül er auf, und von nun an blieb von Hols ts 
Lebensweg eng mit der Royal A cademy und den dort 
tätigen Künstlern verbunden. Obwohl taktvolle Zeitge- 
nossen seinen Lebens wande l als «unstet» bezeichne- 
ten, war er ein pr oduktiver und in s einer nur wenige 
Jahre umfassenden Reifezeit ein erfolgreicher Maler 
und Grafik er . Seine Lebens ums tände gaben zu zahl- 
reichen Anekdoten Anlass, so war er eng befreundet 
mit Thoma s Griffiths Wainewright, gl eichfal ls ein 
Schüler von Füssli, dem   vorgeworfen wur de, das 
Leben s einer Schwägerin, Helen Aber cr ombie – sie 
war von Hol sts Modell für «Bertalda » – 1830 zunächs t 
hoch versichert und sie dann mit Gift umgebracht zu 
ha ben, um die Versicherungssumme zu kassieren. 
W a inewright, der 1833 Goethes «Faust» ins Englische 
übersetzte, floh nach Frankreich, wurde nach seiner 
Rückkehr 1837 (dem Krönungsjahr von Königin Victo- 
ria) von s einem Jugendfreund aufgenommen und bald 
w ieder v erhaftet, weil er ver sucht hatte , die Bank von 
England aus zurauben. Diese bewegten Jahre fallen 
zusammen mit einer intens iven und von Erfolg beglei- 
Hinweise auf einige Neuerwerbungen
	        
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