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Keith Tysons Werk lässt sich kaum auf einen Ne nner
br ingen. Als «poetisch, hu morvoll und phantastisch»
bezeichnete es die d ie sjährige Jury des Turner-Prei-
ses, die Tyson zum Gewinner kürte. Charakteristisch
für das Werk des jungen Briten (*1969) ist seine stilis-
tische Het er ogenität und die schier unerschöpfliche
Vielf alt s einer Erscheinungsf or m en. Tyson experimen-
tiert unaufhörlic h . Sein Ate lier gleicht einem Ver-
suchsl abor, in dem er grundlegende F ragen der
menschlichen Existenz und die Komplexität unserer
Welt zu erforschen sucht. Der Versuch, das Univers um
und unseren Platz in diese m zu erklären, zieht sich wie
ein roter Faden durch sein Werk. F undame ntal auf die-
ser Suche sind die Ze i chnungen an den Wänden seines
Ateliers, die «Stud io Wall Drawings». Diese bilden sein
Tage- und Skizzenbuch. Tyson hält darin den gedank-
lichen Kosmo s fest, der ihn beschäftig t, zugleich sind
die Ze i chnungen auch Ausdruck seine s Gemütszu-
standes. Es sind V ersuchsanordnungen, in denen der
Künstler sow ohl sehr komplexe, philosophische Fra-
ges tel lungen wie auch ganz banale All tagsge scheh-
nisse wie beispiel sw eise Treffen mit Künstlern und
Galeristen oder T elefongespräche verarbeitet. Teils
bl eiben diese Aufzeichnungen nur Skizzen, teils ent-
stehen daraus neue Objekte, Maschinen oder Installa-
tionen.
Wir freuen uns, dass eine Zeichnung aus dies er für
Tysons Werk grundlegenden Serie der «Studi o Wall
Drawings» Eingang in die Grafische Samm lung gefun-
den hat. Das Blatt «Game Theory» (2001) hing von
August bis November 2001 in Tysons Studio und hält sei-
ne Überlegungen und Versuche in diesem Zeitraum fest.
Wie daraus zu ersehen ist, beschäftigte sich der Küns t-
KEITH TYSON
«GAME THEORY», STUDIO WALL DRAWING
Denn mit Vorliebe behandeln seine Werke das
Exemplarische im A lltäglichen des moderne n Lebens:
Theme n der sozialen Des integration und der Ano mie,
der Entfremdung und Einsamkeit einzel ner Indi viduen
in einer traditionsentleerten globalisierten Zivilisation.
Wall verknüpfte so das soziale Engageme nt einer
dokumentarischen «co ncerned p ho tography» mit dem
Anspruch küns tl erischer Auto nomie. Die Perfektion
s einer Kompositionen und Inszenierungen mit ihren
vielfältigen Referenzen an die malerische Tradition
sowie die Originalität seine s uns entimenta l en Mora-
lis mus machten ihn zum wel tweit e rfolgr eichs ten
Fotokünstler des aus gehende n zwanzigsten Jahrhun-
derts. Tobia Bezzo la