Full text: Jahresbericht 2002 (2002)

99 
ler da mals mit dem Thema des «Spiels ». Gena uer 
gesa gt unte rsuchte er die Frage, ob dem anscheinend 
nach unvorhersehbaren R egeln funktionierenden 
Syst em nicht doch gewisse logische Gesetzmässigk ei- 
ten zugrunde liegen. Eine Unt ersuchung, die Tyson mit 
der Frage nach der ebenfalls kaum mit berechenbaren 
Kriterien zu erklärenden Entstehung von Kunst in Ver- 
bi ndung brachte. Als Resultat diese r Gedankenexperi- 
mente entstand das Werk « Random Tangler», das 
Tyson noch im gl eichen Jahr von der Skizze in eine 
model lhafte Anordnung umse tzte. Bei dies er Arbeit 
handel t es sich um ein Spiel, das Anweisungen für die 
Pr oduktion von Kunstwerken lief ert. Be liebig viele 
Akteure können dabei mitspielen und ihre «Kunstwer- 
ke» nach vorgegebenen A nl eitungen herstellen. Da die 
Vorgaben jedes Mal in einer Mischung von Zufa ll und 
Logik neu definiert werden, entstehen Kunstwerke in 
allen möglichen Stilen und Erscheinungsformen. 
Indem Tyson die Produktion der Arbeiten den Mitspie- 
lern überlässt, führt er das von W arhol formulierte 
Credo «I think everybody should be a machine» einen 
entscheidende n Sc hritt weiter. Nicht nur fehlt die indi- 
viduelle künstlerische Handschri ft, es sind auch meh- 
rere, a nonyme Kunstproduzenten beteiligt. Das Sub- 
vers ive dieser Arbeit liegt denn auch darin, dass alles, 
was nach den Prinzipien dieses Spiels entsteht, Teil 
von Keith Tysons Werk ist – obwo hl er es gar nicht sel- 
ber pr oduziert. 
Die angekaufte Zeichnung «Game The ory» gibt 
E inblick in die V orber eitung zur Arbeit «Random Tang- 
ler». Tyson spielt darin ve rschiedene Versuchsanord- 
nungen durch und zeigt uns in der Mitte des Blattes 
eine abstrahierte Dars te llung der M aschine, die die 
Kriterien für die von den Mitspielern pr oduzierte n 
Kunstwerke definiert. Neben dies en abstrakten Über- 
l egungen zum Thema «Spiel» f inden sich auch Notize n 
zu Anrufe n und T elefonnummern von Personen, die 
sich in dieser Zeit beim Künstler geme ldet haben. Der 
Grabe n, der sich zwischen den hochkomplexen Frage- 
stellungen und den flüchtigen Notaten öffnet, lässt 
bereits eine gewisse Ironie spüren. Auch die vermeint- 
lich gefundene Systematik in Spiel und Kunst ist nur 
ironisch gegebe n. Denn der Versuch, die Unvorherseh- 
barkeit des Spiel s auf eine berechenbare Formel zu 
reduzieren, muss scheitern. Dass diese Idee des 
Scheiterns und die Unmöglichk eit, eine definitive Ord- 
nung zu schaffe n, in Tysons Werk immer präse nt ist, 
macht aus dem eigentlich «traditi o nell en» Künstler, 
der sich mit den Mys terien der Welt beschäftig t, einen 
ungemein heutigen, zeitgenössischen Künstler . Sein 
Werk ist geprägt von einer spürbaren Sehnsucht, die 
Komplexität der Welt zu erklären. Doch es zeigt sich, 
dass nur unzulängliche Beschreibungen erreicht wer- 
den können, die ausschnittartig das Ganze beleuchten 
– nicht ohne Paradoxien. Kunst ist für Tyson «tolerant 
of contradict ion s». So sind Logik und Unvorhersehbar- 
keit, Reales und Imaginäres in einem gegeben und 
eröffnen durch ihr Zusammentreffen ganz neue Mög- 
lichkeiten. Mirjam Varadinis
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.