Full text: Jahresbericht 2003 (2003)

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leidenden Christus. In unserem Zus ammenh ang ist 
ein bereits ähnlich konzipierter «Kre uz tragend er 
Christus» in Vicenza zu erwähne n, wo das Thema 
beso nders beliebt war und im Konte xt der Übertra- 
gung einer Kreuzreliquie in den dortigen Dom 1503 zu 
sehen ist. 1504 bis 1507 war Mo ntagna in Verona und 
Padua tätig, wo er erneut mit den Hauptwerk en Man- 
tegna s und des sen strengem «Kreuztragenden» kon- 
frontiert 
wurde.21 Als 
er 1512 wiederum in Padua tätig 
war, konnte er im Santo des heiligen Antonius bereits 
frühe Arbeite n einer neuen Generation kennen lernen: 
Fresken von Tizian und Giorgione. Aus dies er spät en 
Zeit muss auch der Zürcher «Kreuztragende Christus » 
stammen; unter den signierte n Werken Montagnas 
steht ihm der halbfi gurig e «Sc hme rzens mann» im 
Louvre am 
nächsten.22 Christian 
Klemm 
1 Grundlegend 
zum h albfigurigen Andachtsbild Si xten Ringbom: Icon 
to Narrative. The Rise of the Dramatic Clos e-Up in Fifte ent h-Cen tury 
Devotional Painting 
(11965, 21984 
Doornspijk) S. 11ff. 
2Der 
Beginn der religiösen Betrachtung der Kr euzt ragung ist ursäch- 
lich mit den Kreuzzügen verbunden: Als Papst Urban II. bei der Syno- 
de von Clermont 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, erinn erte er an die 
Worte Christi, dass ihm nur nachfolge, wer sein Kreuz auf sich nehme, 
und empfahl den Kreuzfahrern, ein Kreuz auf ihr Gewand zu he ften. 
Doch gerade diese Verbindung mit dem Rittertum fü hrte wohl dazu, 
dass Bernhard von Clairvaux die Kreuztragung als triumphales Zei- 
chen des Regnum Dei betrachtete und nicht in seine affektive Andacht 
an die Leiden der Passi on einschloss, s. Ute Ulbert -Sc hede: Das 
Andachtsbild des kreuztragenden Christ us in der deutschen Kunst von 
den Anfängen bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Diss. München 
1961, Publikationsdatum 1963,1966 oder 1968) S.12f. 
3Dazu 
al lgemein Eugène Hon ée: Image and Imaginat ion in the Medie - 
val Culture of Pray er: A His torical Perspective (in: Henk van Os: The Art 
of Devotion in the Late Midd le Ages in Europe. Ausst.Kat. Amsterdam 
1994, S. 157–174).   
ben, ein Effekt, der durch die ungew öhnliche Tief en- 
abstufung der beiden Kreuzbalken und die aufgesetz- 
ten Nägel noch ges teigert 
wird.17 Dadurch 
wird der 
Betrachter in die Situation der Frommen, die Jesu auf 
dem Weg zur Kr euzigung begegneten, vers etzt. Viel- 
leicht sollte gar an die Realpräsenz des Leibes Chris ti 
in der Eucharistie erinnert werden entsprechend der 
alten 
Schmerzensmann-Ikone.1 8 Sol che 
illusionisti- 
schen Intensivierungen hatten vor allem in der gegen- 
reformatorischen Malerei Spaniens eine bede utende 
Zukunft, z.B. in Gre cos grossem Kr uzifix im Louvr e 
oder in der Kunst 
Zurbarans.1 9 Im 
vene zianischen 
Bereich hingege n entwick elt e Tizian eine ganz neue 
Malweise, die in ihrer atme nd vibrierenden Oberfläche 
die lebendige Gegenw art des Menschen tief er als die 
bei unserem Christus auf einen l etzten Höhepunk t 
ge führte skulpturale Plastizität zu erfassen vermochte. 
Bartolomeo Mont agna wurde 1449 oder 1450 in 
Orzinu ovi oder Vice nza geboren, wo er als der führende 
Maler s einer Zeit wirkte und 1523 
starb.20 Er 
gehörte 
wie Cima da Cone gliano oder Vittor e Carpaccio zur 
Gene ration, die auf Andrea Mant egna und Giovanni 
Bel lini folgte . Bei diesem hatte er zwischen 1467 und 
1473 in Venedig gearbeite t und sich die harmonisch 
kühle Farbigkeit, die Dichte des a t mo sphärischen 
Lichtes und die meditative Tiefe des p s ychol ogischen 
Ausdrucks angeeignet, während die skulpturale Kraft 
der F ormen eher an Mantegna erinnert . 1482/83 weil- 
te er erneut in Venedig und malte zwei grosse Sze nen 
für die Scuola Grande di San Marco; damals muss er 
stark von den Werken Antonello da Messinas beein- 
druc kt worden sein, von ihrer grossformigen Plasti- 
zität und ihrem intensiven Betrachterbezug. In den fol- 
gende n J ahrzehnte n schuf er für Vicen za und andere 
obe r ita lienische Städte grosse A ltarbilder, meist die 
thronende Madon na umgeben von Heiligen, vereinzelt 
auch szenische Darstellungen, darunter sein Haupt- 
werk, die berühmte «Be weinung Christi» (1500) für die 
Wallfahrtskirche auf dem Monte Berico, das erste 
monumentale Altarbild dies es Themas . Daneben ent- 
standen zahlreiche halbfig urige Anda c htsbilder, meist 
M adonnen, aber auch mehrere Darstellungen des
	        
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