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Ferdinand Hodler. Landschaften
Landschaften stehen am Anfang von Ferdinand Hodlers
Malerlaufbahn, und Landschaften zeigen auch seine
allerletzten Bilder . Hodlers Landschaften spiegeln
eine küns tl erische Entwicklung, welche die Grenzen
der Gattung überschreitet. Landschaft ist das Expe-
rimentierfeld und das Refl e xions medium, wo Hodlers
Malerei sich von praktischen, inhaltlichen und f orma-
len Vorgaben löst und ihre eigene n Voraussetzungen
überpr üft und revidiert. Angesichts dies er zentralen
Bedeutung wur den eine Aus wahl und Anordnung des
Ma terials angestrebt, welche dessen Stellenwert im
Ra hmen von Hodl ers M ethodik der Bildf indung abbil-
det. Eine syntaktische Befragung des Landschafts-
werks so llte Hodlers Kompos it io nspr inzipien aufzei-
gen, die Verfahren, vermittels derer er Elemente
vorgefundener Naturerscheinung zur Einheit seine s
Bildes s ynthetisiert. Denn der Sichtung des bekannten
Gesamtbestandes zeigt sich sogleich eine A nzahl von
T ypen. Landschaft ist, so erkennt man, allein im Rah-
men einer wohlbestimmten Synta x möglich. Die so in
unserer Präs ent ation der Ausstellung statt der übli-
chen periodentypischen Q ue rschnitte durch das Werk
gelegte Sequenz von Längsschnitten nahm mi thin das
Risiko in Kauf, als blosse Gruppierung nach M otiven
(«Bäume»; «Steine und Bäche»; «Gipfel» ; «Täler» usf.)
missverstanden zu werden. Da sich Motive und
Kompositionen aber oft verschränk en, las sie sich in
ihrer Abfolge eher als ein Essay, welcher die Leistung
und zugleich die Grenzen der formalen Analyse von
Hodl ers Landschaftswerk umspiel te. Denn komple-
mentär zur R eduktion auf das stringent unter formale
T ypol ogien Subsumierbare empfiehlt sich gl eichzeiti g
die Aufmerksamkeit auf die Differenzen zwischen
Exemplaren einzel ner Bildtypen zum einen, auf die
F amilienä hnlic hk eiten zw ischen den verschiedenen
Bildtypen zum andern. In einem solchen Kontinuum
erweist sich die Zuor dnung oft als Frage des gewähl-
ten Aspekts. Die in Hodlers Landschaftsbildern so
oft seine primär en Kadrierungen unterstreichenden
Binnenrahmen weisen darauf: Das ständige Bemühe n
um ein Verfahren, wie Natur zu Landschaft und wie
ein Landschaftsbild zu einer Hodler-Landschaft wird,
erzeugt eine Spannung zwischen der künstlerischen
Reduktion und dem nie verleugneten Geltungsa n-
spruc h der tektonischen Kompl e xität der Natur. Sie ist
es, die Hodl ers Landschaftsbilder einzigartig macht.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit
dem Musée d’Art et d‘Histoire, Genf (11. September
2003 bis 1. Februar 2004; Leitung: Paul Lang) und dem
Sc hw eizerischen Institut für Kuns twis se nschaft (Paul
Müller). Sie wurde unters tützt von der V ontobe l-
Sti ftung und der Baugarten Stiftung, Züric h.
TB
Urs Fische r . Kir Royal
Die Ausstellung von Urs Fischer im Bührl e-Saa l war
für das Kuns thaus eine Premiere. Noch nie zuvor hatte
es einem so jungen Künstler seinen grössten und
prestigeträchtigsten Saal zur V erf ügung gestellt, und
die Ausstellung wurde daher mit grosser Spannung
erwartet. Doch das Experiment hat sich gelohnt. Der
1973 in Züric h geborene und in New York, Los Angeles
und Berlin lebende Künstler hat die Herausforderung
mit Bra vour gemeistert und den Ausstellungsraum in
eine eindr ückliche Gesamtinstallation verwandelt.
Fischer unterteilt e den Bührl e-Sa al in vier Räu-
me, verband diese jedoch durch höhlenartige Löcher,
die er aus den Stel l wänden aussägte. Die Öffnungen
vergrös serte n sich gegen hinten perspektivisch, so
dass jeder, der die Ausstellung betrat, von einem Sog
erfasst und von einem Raum in den nächsten gezogen
wur de. Wie Alice im Wunderland schritt man durch die
Öffnungen von einer Welt in die ander e und begegnete Auss tellu ngen