Full text: Jahresbericht 2004 (2004)

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CLAUDE LORRAINS 
«TANZ DER JAHRESZEITEN» 
Vor bald zehn Jahren kam, vermittelt durch den nun 
vor kurzem verstorbenen Adolphe Stein, ein erstes 
Gemälde von Cla ude Lorrain ins Kunsthaus, ein mor- 
genfrisches Frühwerk, des sen Komposition noch in 
der niederländisch-italianisierenden Tradition Brue- 
ghels und Brils steht. Bereits schon ganz von se inem 
klar l euchtende n Licht erfüllt, fliesst ein glitzernder 
Ber gbach durch den schattigen Wie sengrund, auf dem 
sich eine kl eine Jagdgesellschaft versammelt. Viel- 
leicht klingt in der Szenerie mit dem F e lsbogen, dem 
arco naturale, eine E rinnerung an Ovids Beschreibung 
des Bades der Diana nach – die Jäger aber sind modern 
gekl eidet, Genrefiguren, wie sie damals die holländi- 
schen Künstler in Rom gern zum Thema ihrer Bilder 
machte n.1 
Wenig späte r fo lgte ein r epräse ntative s 
Hauptwerk der Reifezeit, die Pastorale mit dem Kon- 
stantinsbogen von 1648, von der Claude für den Zür- 
cher F eldzeugmeister Joha nn Georg Werdmüller eine 
Wiederholung malte. Im Vordergrund schaut ein Jäger 
mit einer Flinte dem Maler über die Schulter, der vor 
unseren Augen eine im Abendlicht v erklärte Idea lland- 
schaft entstehen läs st: Vorn ziehen durch eine stille 
Furt zeitl os gekleidete Landleute nach Hause, wäh- 
rend hinter einer Bodenwelle die Ruinen des Kolosse- 
ums und des römischen T r iumphbogens aufrage n. Es 
ist eine im Werke Claudes einzigarti ge Meditation über 
die beiden zentralen Nostalgievorstellungen seiner 
Epoche, die auch seine künstlerische Visio n be stimm- 
ten: die unerreichbare Grösse der untergegangenen 
Antik e eine rseits , das geschichtslos glücklich schlic h- 
te Leben im mythischen Hirtenland A rkadien anderer- 
seits.2 
An dies es bek enntnisha f te grosse P r ogrammbild 
schliesst sich nun, ebenfalls dank einer grosszügigen 
Spende des von Peter A lther verwalteten Holenia Trust, 
ein nicht minder persönliches Spätwerk an, die l etzte 
seiner seltenen kleinen Kupfertafeln und seine einzig e 
Allegorie: Apollo, der den Reigen der Jahreszeiten zum 
Lyra spiel enden Chronos, dem Gott der Zeit, 
führt .3 
Anf angs 1663 war Claude ernsthaft kra nk; am 26. Feb- 
ruar nahm er das Liber Veritatis, das V erzeichni s 
seiner Werke, in dem er seit 1635 jede Komposition 
skizziert und den Auftraggeber notiert hatte, zählt e die 
Zeichnungen und hielt auf dem nächst en leeren Blatt 
ihre Anza hl, 157, 
fest.4 
Zwei Tage später, bettlägerig 
und den Tod erwartend, machte er ein ausführliches 
Testament. Auf die Präa mbeln folgt zunächst, was er 
seiner minderjährig e n Ziehtochte r Agnese zudachte. 
Sodann bes timmte er das Vermächtnis für s einen Nef- 
fen Jean Gellé e, und hier finden wir das Gemä lde zum 
ersten Mal beschrieben: «un quadr o con la sua corni ce 
indorata che rappresenta il ballo delle quattro st agio- 
ni».5 
Jean kam als junger Mann nach Rom, um seinem 
Onkel zu hel fen, und w ohnte bis zu dessen Tode 1682 
bei ihm. Cla ude war nicht v erheirate t und pflegte zeit- 
l ebens den Konta kt zu s einen lothringischen Verwand- 
ten, wie er sich auch stets «Lorenese» nannt e. 1663 
setzte er seine beiden Brüder in Chamagne als 
Haupterben ein; in einem Zusa tz von 1670 stellte er 
diesen Jean gleich, den er als seinen Adoptivs ohn 
betrachten 
mochte .6 
In seine m Testament erwähnt er 
nur acht Bilder, die vermutlich von ihm stammen, 
wobei nur vier zu identifizieren sind: Je eines vermach- 
te er Agnese, Jean und in einem Zus atz von 1682 sei- 
nem a ndern Neffen Joseph, der gegen 1680 nach Rom 
kam, um Theologie zu studieren. Auf die Rückseite 
dieses letzten Bildes schrieb er «io Claudio Gellée… 
lascio questo quadr o al mio nepot e Giuseppe Gellee 
per havere di me memoria Roma 
1680.»7 
Während es 
sich hier nur um eine allerdings ebenfalls einzigarti ge , 
bildhafte Stud ie mit Schafe n handelt, ist der «Tanz der 
Jahreszeiten» eine vollendet ausgestaltete Kom positi- 
Hinweise auf einige Neuerwerbungen
	        
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