Full text: Jahresbericht 2004 (2004)

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befindet sich noch heute in der Sa mmlung seiner 
F amilie . In den frühen sechziger Jahren traf en sich die 
beiden inzwischen al ten, b e nachbarten Maler regel- 
mäs sig; jedenfalls schr eibt A braham Brueghel dem 
sizilianischen Samml er Don Antonio Ruffo, der u.a. 
Re mbrandts «Aristoteles vor der Büste Homers » 
besass, dass Poussin nun ein zurüc k gezogenes Leben 
führe und sich nur gel egentlich das Vergnügen leiste, 
mit Claude ein Gläschen guten W eines zu 
trinken.12 
Damal s arbeitet e er an se iner eigenen Folge der «Vier 
Jahreszeiten» (Louvre), dem Hauptwerk seines Alters, 
und so wird auch jenes früher e Bild, das die Horen im 
Gefo lge des So nnengottes zeigt, ins Gespräch gekom- 
men sein und die Künstler vielleicht sogar in den Palast 
ihres gemeinsamen Mä zens geführt haben. In s einen 
Mus ses tunden pflegte dies er die Poesie; insbesondere 
schrieb er O pernlibr etti, in denen a ll egorische Figur en 
kaum je fehlen und gel egentlich die Hauptr oll e spie- 
len, wie in «La Vita Huma na, ovvero il Trionfo della Pie- 
tà» von 
1656.13 
Aus dies em Umkreis flossen Claude die 
Ideen zu seine r Komposition zu, die s einem inneren 
Emp finden und dem Geist seiner Kunst so sehr ent- 
sprechen. 
Als Roe thlisber ger das Gemä lde zum ersten Mal 
sah, war er sehr überrascht und konnte einmal mehr 
feststellen, dass die Werke eines wahren Künstlers 
nicht vorhers ehbar 
sind.14 
Die F r ische, Klarheit und 
Helligkeit, die diese perfe kt erhaltene Kupfertaf el aus- 
s trahlt, lässt erkennen, wie sehr die Leinwandbilder 
insbes onder e in den nachgedunkelten Grüntönen 
durch die Jahrhunderte gelitten haben. Durch das 
Thema , die Gegenwart Phoibos Apollons bedingt, war 
die vom Mittagslicht erfüllte Landschaft an sich schon 
aus sergewöhnlich hell; sonnig goldene Töne dominie- 
ren die Wies en und Bäume ebenso wie die changieren- 
den Gew änder der Jahreszeiten. Während Claude bei 
den grossen Bildern oft in viel en Schichten die Wirkun- 
gen zu verfeinern suchte und damit zugl eich die Alte- 
rungsproblematik verschärfte, erl eichterten ihm hier 
die V orarbeite n und die geringe Grösse die A bstim- 
mung, so dass das Pinselwerk unmittelba r er fühlba r 
bl eibt. 
Jedes Motiv wird in der kleinen Zimelie mode llhaft 
prägnant ausgearbeitet. Das linke «bouquet d’arbres», 
wie man auf Französisch so hübsch sagt, ist in den 
gegenläufigen Rhythmen der Stämme und Äste, in der 
Gruppierung der Laubmas s en, der Nuancierung der 
Blattfarben eine kleine, n ahezu abstrakte Komposition 
in sich und k ontra stiert zugleich mit der strengeren 
und würdevolleren Baumgr uppe bei den T empel n, 
wobei sich die beiden nächs ten, lichteren Bäumchen 
gegenseitig über den Ausblick in die Ferne hinwe g die 
Reverenz erweisen. Das r echte ponderiert zugleich 
den vorderen Rundtempel in dem durch die ragenden 
Bäume und Säulen die Senkrechte betonenden 
Gestaltkomplex aus. Die l eicht gewölbten und be wach- 
senen Dächer der zylind rischen Baute n vermitteln 
zwischen ihren geometrischen F ormen und den 
Rück en der Wiesen und des plastisch geschlossenen 
Berges, der s einers eits durch den Wasserfall den Wol- 
ken verwa ndt erscheint. Lustvoll kostet Claude den 
Zug der Ziegen aus, die den Reigen der Figur en we iter- 
führen; die zw eite lässt er aus der Reihe ausscheren 
und vor dem Hügelra nd ein Gräsl ein finden; die vierte 
verschwindet fast hint er der Wiesenschwelle, und die 
f ünfte steht unvermute t weiss vor der dunkl en Höhle, 
die sich rätselhaft unter den Tempeln öffnet und 
so wohl mit dem düsteren Gott als mit der hohen Pfor- 
te des Rundbaus zus amme nklingt. Für die Figuren 
und Schaf e im Mittelgrund genügen ihm ein paar 
Punkt e, um die ganze Landschaft präzis zu beleben; 
und auch der typisch s ummarische Laubstrunk links 
zeigt, dass es immer in erster Linie um die Bildwirk- 
samkeit geht und weniger um a b bildhafte Exaktheit. 
Vollends unaus schöpf bar wirkt der zugleich durch- 
sicht ig blaue und von Wolken d ur chzogene Himmel , 
der mit der ebe nso spars am wieder gegebe nen wie 
evokativen Ferne ve rschmilzt. 
Für e inmal verwirklichte hier Cla ude, unbelastet 
von äusserem D ruck, von der Prätention fürstlicher 
Aufträge und mit einem Minimum an technischem 
Aufwand, was ihm das Liebs te an se iner Kunst war: die 
Evokation der lichterfüllten Schöpfung, durchdrungen 
von den harmonischen Rhythmen der zyklischen zyklischen
	        
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