72
befindet sich noch heute in der Sa mmlung seiner
F amilie . In den frühen sechziger Jahren traf en sich die
beiden inzwischen al ten, b e nachbarten Maler regel-
mäs sig; jedenfalls schr eibt A braham Brueghel dem
sizilianischen Samml er Don Antonio Ruffo, der u.a.
Re mbrandts «Aristoteles vor der Büste Homers »
besass, dass Poussin nun ein zurüc k gezogenes Leben
führe und sich nur gel egentlich das Vergnügen leiste,
mit Claude ein Gläschen guten W eines zu
trinken.12
Damal s arbeitet e er an se iner eigenen Folge der «Vier
Jahreszeiten» (Louvre), dem Hauptwerk seines Alters,
und so wird auch jenes früher e Bild, das die Horen im
Gefo lge des So nnengottes zeigt, ins Gespräch gekom-
men sein und die Künstler vielleicht sogar in den Palast
ihres gemeinsamen Mä zens geführt haben. In s einen
Mus ses tunden pflegte dies er die Poesie; insbesondere
schrieb er O pernlibr etti, in denen a ll egorische Figur en
kaum je fehlen und gel egentlich die Hauptr oll e spie-
len, wie in «La Vita Huma na, ovvero il Trionfo della Pie-
tà» von
1656.13
Aus dies em Umkreis flossen Claude die
Ideen zu seine r Komposition zu, die s einem inneren
Emp finden und dem Geist seiner Kunst so sehr ent-
sprechen.
Als Roe thlisber ger das Gemä lde zum ersten Mal
sah, war er sehr überrascht und konnte einmal mehr
feststellen, dass die Werke eines wahren Künstlers
nicht vorhers ehbar
sind.14
Die F r ische, Klarheit und
Helligkeit, die diese perfe kt erhaltene Kupfertaf el aus-
s trahlt, lässt erkennen, wie sehr die Leinwandbilder
insbes onder e in den nachgedunkelten Grüntönen
durch die Jahrhunderte gelitten haben. Durch das
Thema , die Gegenwart Phoibos Apollons bedingt, war
die vom Mittagslicht erfüllte Landschaft an sich schon
aus sergewöhnlich hell; sonnig goldene Töne dominie-
ren die Wies en und Bäume ebenso wie die changieren-
den Gew änder der Jahreszeiten. Während Claude bei
den grossen Bildern oft in viel en Schichten die Wirkun-
gen zu verfeinern suchte und damit zugl eich die Alte-
rungsproblematik verschärfte, erl eichterten ihm hier
die V orarbeite n und die geringe Grösse die A bstim-
mung, so dass das Pinselwerk unmittelba r er fühlba r
bl eibt.
Jedes Motiv wird in der kleinen Zimelie mode llhaft
prägnant ausgearbeitet. Das linke «bouquet d’arbres»,
wie man auf Französisch so hübsch sagt, ist in den
gegenläufigen Rhythmen der Stämme und Äste, in der
Gruppierung der Laubmas s en, der Nuancierung der
Blattfarben eine kleine, n ahezu abstrakte Komposition
in sich und k ontra stiert zugleich mit der strengeren
und würdevolleren Baumgr uppe bei den T empel n,
wobei sich die beiden nächs ten, lichteren Bäumchen
gegenseitig über den Ausblick in die Ferne hinwe g die
Reverenz erweisen. Das r echte ponderiert zugleich
den vorderen Rundtempel in dem durch die ragenden
Bäume und Säulen die Senkrechte betonenden
Gestaltkomplex aus. Die l eicht gewölbten und be wach-
senen Dächer der zylind rischen Baute n vermitteln
zwischen ihren geometrischen F ormen und den
Rück en der Wiesen und des plastisch geschlossenen
Berges, der s einers eits durch den Wasserfall den Wol-
ken verwa ndt erscheint. Lustvoll kostet Claude den
Zug der Ziegen aus, die den Reigen der Figur en we iter-
führen; die zw eite lässt er aus der Reihe ausscheren
und vor dem Hügelra nd ein Gräsl ein finden; die vierte
verschwindet fast hint er der Wiesenschwelle, und die
f ünfte steht unvermute t weiss vor der dunkl en Höhle,
die sich rätselhaft unter den Tempeln öffnet und
so wohl mit dem düsteren Gott als mit der hohen Pfor-
te des Rundbaus zus amme nklingt. Für die Figuren
und Schaf e im Mittelgrund genügen ihm ein paar
Punkt e, um die ganze Landschaft präzis zu beleben;
und auch der typisch s ummarische Laubstrunk links
zeigt, dass es immer in erster Linie um die Bildwirk-
samkeit geht und weniger um a b bildhafte Exaktheit.
Vollends unaus schöpf bar wirkt der zugleich durch-
sicht ig blaue und von Wolken d ur chzogene Himmel ,
der mit der ebe nso spars am wieder gegebe nen wie
evokativen Ferne ve rschmilzt.
Für e inmal verwirklichte hier Cla ude, unbelastet
von äusserem D ruck, von der Prätention fürstlicher
Aufträge und mit einem Minimum an technischem
Aufwand, was ihm das Liebs te an se iner Kunst war: die
Evokation der lichterfüllten Schöpfung, durchdrungen
von den harmonischen Rhythmen der zyklischen zyklischen