Full text: Jahresbericht 2005 (2005)

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RENÉ WEHRLI 1910–2005 
René W ehrli war 33 Jahre alt, als er 1943 seine Tätig- 
keit am Kuns thaus aufnahm. Ab 1950 war er, als Nach- 
fo lger von Wilhe lm Wartmann, der Direktor des Hauses 
bis 1976, als Felix Bauma nn das Ruder übernahm. 
W ehrli wagte sich als einer der ersten nach dem Krieg 
an ganz grosse Ausstellungsprojekte. Mit «Kuns t und 
Leben der Etrusker» initiierte er 1955 einen neuen 
Aus stellungstypus, der bald int ernational e Nach ahmer 
fand: Überblicksschauen über ganze Kulturräume – 
Mexiko, Indien, Ägypten, Iran, die Sowjetunion – waren 
im Kuns thaus zu Gast. «Kuns tschätze aus Japan» im 
Jahr 1969 galt als die beste Japan-Ausstellung für 
Jahrzehnte. Neu war dama ls auch die Präsentation 
auf farbi g getönten W änden, dazu grosse Velen aus 
halbtransparenten Stoffen und Ikebana-Gestecke. Die 
Geburtsstunde der inszenierten Kunstausstellung. 
«Die Kunst von Schwarzafrika» 1970/1971 umfasste 
s tattliche 1200 E xponate (heut e zeigen wir zwischen 
80 und 200 Exponate pro Ausstellung), die im Bührl e- 
Saal nicht genügend Platz f anden, so dass sich die 
Aus stellung durch fast den ganzen Altbau ausdehnte, 
und dort, wo normal erweise Hodler, Munch und der 
Impressionismus zu sehen waren, sich eine wunder- 
sam-exotische Welt öffnete. Die 72000 Besucher mar- 
kierte n eines der ersten kulturellen Grossereignisse 
für die Schweiz. 
Neue internationa l e Konta kte entstanden. «Pom- 
peji – Leben und Kunst in den Vesuvstädten», war eine 
Koope ration mit Museen in D e utschland, Frankreich 
und den Niederlanden. Aber auch die e ur opäische 
Kuns t, und vor allem jene seiner eigene n Zeit, ha tten 
René W ehrlis Interesse. So erinnert an die Ausstellung 
zum plas tischen Werk von Joan Miró noch dessen für 
Zür ich geschaffene Keramik-Wand im Kunsthaus- 
Garten, der in diesem Frühjahr wieder zugänglic h sein 
wird. Ein ganzes Buch wurde über die Entstehung der 
Alberto Giacometti-Stiftung am Kunsthaus geschrie- 
ben, deren Gründung nach jahr el angen Querelen auch 
der Hartnäckigkeit dieses Direktors zu verdanken ist. 
Die Erwerbung der beiden grossen Seerosen- 
Bilder von Cla ude M onet, anlässlich einer Reise mit 
dem Zürcher Unterneh mer und Sammler Emil Georg 
Bührle nach Giverny, gela ng dank Wehrlis Insistieren 
und Bührles Grosszügigkeit – und bildet e den Aus- 
gangspunkt für die schöne Mo net-Samml ung in 
Zür ich, die seitdem ausnahmslos aus Geschenken und 
Legaten entstanden ist. Überhaupt wur den bei der 
französischen Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts in 
seiner Zeit bedeut ende Erwerbungen gemacht, wobei 
W ehrlis Stossseufzer: «Wenn wir nur alles so hätten , 
wie Bonnar d!» bis heute ein geflügelte s Wort im Kuns t- 
haus ist. Als ein Kunsthistorik er eigentüml i cher Prä- 
gung blickte er weit über den Horizont westlicher Kul- 
tur und die Grenzen des Faches hinaus und war dabei 
mit einem raschen und präzisen Urteil ausgestattet. 
Und übrigens fiel in seine A mtszeit nicht nur die 
Errichtung des Ausstellungsflügels, sondern zwei 
Jahrze hnte darauf ein weiterer, ganz anderer Anbau 
an das Kuns thaus, der die Moderne aufnehme n sollte. 
Die Idee einer mehrs töckigen Halle mit breiter Treppe, 
die den lichtdurchfluteten Bau kaskadenförmig 
erschliesst, ist mit der Neupräs enta t ion seit kurzem 
wieder hergestellt, inklusive der reizvollen Durch blicke 
ins Freie. Über die Det ails dies er Architektur mag man 
streiten, im Ganzen ist der Anbau der siebziger Jahre 
ein durchaus interessanter Beitrag zur Museums- 
architektur des 20. Jahrhunderts. 
René Wehrli, der im Dezember 2005 im Alter von 
95 Jahren in Züric h ges torben ist, war ein agiler, tole- 
ranter, stets w acher und dur chaus streitbarer 
Mus eums mann, der an den Geschicken des Kuns t- 
haus es bis zul etzt regen An teil nahm. Wir erinnern uns 
an René Wehrli dankbar und mit Freude. Nachrufe
	        
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