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Bereits die im Eingangsbereich gezeigte Sk ulptur
von Jean Tinguely «Formes virtuelles en mouve ment»
von 1955, die lediglich aus einem arms eligen
gekrümmte n Draht besteht, entl ockt dem Betrachte r
As soziationen zum Film. Denn der sich 2000-mal pro
Minute dr ehende Draht biete t dem Auge die Ill usion
einer dreidimensionalen Form, basierend auf dem
gl eichen Phäno men, das uns Filme als bewegte Bilder
sehen lässt. Der Titel der Aus stellung birgt denn auch
eine Anspielung an das 1970 erschienene Buch «Expan-
ded Cinema» von Donald Youngblood, welches den
damaligen Aufbruch in Experimentalfilm und Video
zusammenfasste. In einem dem Ausstellungssaal
angegliederten Filmvorführraum mit acht Projek-
tionsflächen waren Beispiele von Martin Arnol d bis
Jud Yalkud zu sehe n, während ein spezielles Abend-
und W oc he nendpr ogramm eine reiche Auswahl an
Filmexperimenten im Ori ginal format von 16mm oder
35mm präsentierte.
Markant nahm sich der Übergang zur Kunst nach
1970 aus mit der von der Decke hä ngenden, riesigen
«R oten Trombe» von Rupprecht G eiger . Das Rot s trahl-
te in Facetten gefächert in das grosse Kaleidoskop von
Olafur Eliasson hinein, während auf dessen Gegenseite
sich die Besucher eines Fussballstadions zum Orna-
ment fügten. Sie entstammten einem Werk von Jules
Spinatsch, das er aus 3003 Einzelbildern einer Über-
wachungskamera zusammengefügt hatte. Das Thema
der gesteigerten Sichtbarkeit in all s einen unheim-
lichen Aspekten p räs entierte sich etwa bei Harun
Farockis «Auge/Maschine», während eine Verflüssi-
gung von Zeit- und Raumdefinitionen bei Pierre Hu yghe
und Pipilotti Rist zu erfahren waren.
Vor dem Haus zog der (Einwe g-) ve rspiegel te
Kubus von M onica Bonvicini, der eine Toilette barg, das
Publikum bes onders in Bann.
Die Ausstellung wurde unte rstützt von der Swiss-
Re-Partner für zeitgenössische Kuns t.
BC
In den Alpen
Unsere Aus stellung ging von der Beobachtung aus,
dass sich die zeitgenös sische Kunst in ihrer auffällig
intensiven Auseinandersetzung mit den Alpen nur
noch selten auf kuns this torische Traditionen, s ondern
viel öfter auf Bildwe lten ganz anderer Provenienz
bezieht. So verknüpfte die Klam mer «In den Alpe n»
e xe mplarische Rückblic k e in die Bildwelten der theo-
r etisch-wis s enschaftlic he n und der praktisch-zivili-
satorischen Erschliessung des Hochgebirges; dazu
gesellten sich Beispiele einer reichen Tradition der
alpinen, oft religiösen Volkskunst, Exempel visionärer
Bergerlebnisse heroischer Ei n zelgänger und ver-
schrobener Aus senseiter sowie das A lpenbild in der
symbolis c h-pol i tischen Bildwel t der Nationalstaaten.
All dies fügte sich zu einem kaleidoskopischen alpinen
Bildkomplex.
Besondere Aufmerksamkeit galt dabei den medi-
alen Inszenierungen der Alpenwelt, welche deren
W ahrnehmung seit zweihunde r t Jahren überformen.
Das Erlebnis des Rundblicks im Gebirge hat zahlreiche
originäre Dars te llungs formen, sei es wissenschaft-
licher, sei es rein unterhaltungsgewerblicher Natur
hervor gerufe n. Die halb i l lusionis tischen kartogra-
fischen W ahrnehmungsangebote der T ourismusbran-
che sowie die Illus ionsk üns te wie Panorama, Diorama,
Neo rama, Cosmorama, Diaphanorama, Stereorama –
bis zu den heutigen computera nimierten Bildwelten –
formieren seit zwei Jahrhunderten die Erwartung e n
und Erfahrungen in der visuellen Wahrnehmung der
Bergwelt. Der Ästhetisierung der alpinen Landschaft
ging ihre technische Er oberung voraus. Die sublime n,
heroischen oder id yll ischen Dars tel lungen der Maler
und Zeichner hingen zunächs t ab von den leiden-
schaftslos messenden Darstellungen der Blick e von
Kartografe n und Geologen, von Konstrukteuren von
Strassen, Schienenwegen, Brücken und Tunnels so-
wie von Strategen der T ourismusindustrie. Die Zeich-
nungs- und Bezeichnungslust der wissenschaftlichen
Neugier, die sich die Alpen seit dem 16. Jahrhundert
er obert, und die Pläne und Diagramme der Karto-
grafen und der Ingenieure ebnen dem Bau von Eisen-