Full text: Jahresbericht 2006 (2006)

20 
Bereits die im Eingangsbereich gezeigte Sk ulptur 
von Jean Tinguely «Formes virtuelles en mouve ment» 
von 1955, die lediglich aus einem arms eligen 
gekrümmte n Draht besteht, entl ockt dem Betrachte r 
As soziationen zum Film. Denn der sich 2000-mal pro 
Minute dr ehende Draht biete t dem Auge die Ill usion 
einer dreidimensionalen Form, basierend auf dem 
gl eichen Phäno men, das uns Filme als bewegte Bilder 
sehen lässt. Der Titel der Aus stellung birgt denn auch 
eine Anspielung an das 1970 erschienene Buch «Expan- 
ded Cinema» von Donald Youngblood, welches den 
damaligen Aufbruch in Experimentalfilm und Video 
zusammenfasste. In einem dem Ausstellungssaal 
angegliederten Filmvorführraum mit acht Projek- 
tionsflächen waren Beispiele von Martin Arnol d bis 
Jud Yalkud zu sehe n, während ein spezielles Abend- 
und W oc he nendpr ogramm eine reiche Auswahl an 
Filmexperimenten im Ori ginal format von 16mm oder 
35mm präsentierte. 
Markant nahm sich der Übergang zur Kunst nach 
1970 aus mit der von der Decke hä ngenden, riesigen 
«R oten Trombe» von Rupprecht G eiger . Das Rot s trahl- 
te in Facetten gefächert in das grosse Kaleidoskop von 
Olafur Eliasson hinein, während auf dessen Gegenseite 
sich die Besucher eines Fussballstadions zum Orna- 
ment fügten. Sie entstammten einem Werk von Jules 
Spinatsch, das er aus 3003 Einzelbildern einer Über- 
wachungskamera zusammengefügt hatte. Das Thema 
der gesteigerten Sichtbarkeit in all s einen unheim- 
lichen Aspekten p räs entierte sich etwa bei Harun 
Farockis «Auge/Maschine», während eine Verflüssi- 
gung von Zeit- und Raumdefinitionen bei  Pierre Hu yghe 
und Pipilotti Rist zu erfahren waren. 
Vor dem Haus zog der (Einwe g-) ve rspiegel te 
Kubus von M onica Bonvicini, der eine Toilette barg, das 
Publikum bes onders in Bann. 
Die Ausstellung wurde unte rstützt von der Swiss- 
Re-Partner für zeitgenössische Kuns t. 
BC 
In den Alpen 
Unsere Aus stellung ging von der Beobachtung aus, 
dass sich die zeitgenös sische Kunst in ihrer auffällig 
intensiven Auseinandersetzung mit den Alpen nur 
noch selten auf kuns this torische Traditionen, s ondern 
viel öfter auf Bildwe lten ganz anderer Provenienz 
bezieht. So verknüpfte die Klam mer «In den Alpe n» 
e xe mplarische Rückblic k e in die Bildwelten der theo- 
r etisch-wis s enschaftlic he n und der praktisch-zivili- 
satorischen Erschliessung des Hochgebirges; dazu 
gesellten sich Beispiele einer reichen Tradition der 
alpinen, oft religiösen Volkskunst, Exempel visionärer 
Bergerlebnisse heroischer Ei n zelgänger und ver- 
schrobener Aus senseiter sowie das A lpenbild in der 
symbolis c h-pol i tischen Bildwel t der Nationalstaaten. 
All dies fügte sich zu einem kaleidoskopischen alpinen 
Bildkomplex. 
Besondere Aufmerksamkeit galt dabei den medi- 
alen Inszenierungen der Alpenwelt, welche deren 
W ahrnehmung seit zweihunde r t Jahren überformen. 
Das Erlebnis des Rundblicks im Gebirge hat zahlreiche 
originäre Dars te llungs formen, sei es wissenschaft- 
licher, sei es rein unterhaltungsgewerblicher Natur 
hervor gerufe n. Die halb i l lusionis tischen kartogra- 
fischen W ahrnehmungsangebote der T ourismusbran- 
che sowie die Illus ionsk üns te wie Panorama, Diorama, 
Neo rama, Cosmorama, Diaphanorama, Stereorama – 
bis zu den heutigen computera nimierten Bildwelten – 
formieren seit zwei Jahrhunderten die Erwartung e n 
und Erfahrungen in der visuellen Wahrnehmung der 
Bergwelt. Der Ästhetisierung der alpinen Landschaft 
ging ihre technische Er oberung voraus. Die sublime n, 
heroischen oder id yll ischen Dars tel lungen der Maler 
und Zeichner hingen zunächs t ab von den leiden- 
schaftslos messenden Darstellungen der Blick e von 
Kartografe n und Geologen, von Konstrukteuren von 
Strassen, Schienenwegen, Brücken und Tunnels so- 
wie von Strategen der T ourismusindustrie. Die Zeich- 
nungs- und Bezeichnungslust der wissenschaftlichen 
Neugier, die sich die Alpen seit dem 16. Jahrhundert 
er obert, und die Pläne und Diagramme der Karto- 
grafen und der Ingenieure ebnen dem Bau von Eisen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.