Full text: Jahresbericht 2006 (2006)

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bleibt alles merkwürdig unterkühlt. Die zehn Men- 
schen befinden sich am s elben Ort, im s elben Raum, 
doch es ist unklar, welche Bezieh ung sie untereinan- 
der verbindet. Jeder von ihnen geht völlig konzentriert 
der Sinnlosigkeit s einer Be schäft igungen nach, und in 
gewissen Momenten scheint es, als würden sich ihre 
Bew egungen zu einer Gesamtmaschine zusammen- 
fügen – erneut allerdings ohne erkennbaren Nutzen 
oder F unktion. Das Ganze hat etwas Zeitentrücktes, 
T rauma r tiges, und die Leere ist so verführerisch insze - 
niert , dass man gar nicht anders kann, als sich von der 
Schönheit der Bilder einsaugen zu lassen. «The v olup- 
tous suck of hollow times», ertönt es denn auch pr ompt 
aus dem Off. Doch es ist eine be unr uhigende Schön- 
heit, hinter der subtile Abgründe lauern – und genau 
die Ambivalenz dieser Kom b ination macht das Werk 
Schinwalds aus. 
Mirjam Varadinis 
einen Zustand, in dem die Dinge verschiedene Bedeu- 
tungen annehm en k önnen oder gar nicht erläutert 
werden.» 1 
Schinwalds Filme sind bildgewaltig schön 
und unheimlich zugleich. Sie f olgen keinem linearen 
Erzählmuster und haben «k einen Anf ang und kein 
Ende. Sie bestehen eigentlic h nur aus Mitte. Es ist eine 
Art P se udonarration, in der bes timmte Handlungen 
zwar angedeutet, aber nicht zu Ende gebracht werden; 
eine Art künstliche Ruine, so als würde man in einem 
Drehbuch die Sze nen, die die Handlung vorantreiben, 
einfach wegnehmen und nur den Rest übrig 
las sen. »2 
Das gilt auch für die Spr echte xte, die Schinwalds Filme 
aus dem Off begleiten. Sie sind gena uso elliptisch 
mys teriös wie die Handlung, bl eiben absichtlic h 
fragmentarisch und unterstreichen so bewusst die 
insze nierte I rritation. 
Inhaltlich gilt Schinwalds Hauptinteres se dem 
menschlichen Körper und dessen facettenreichen kul- 
tur geschic htlichen Bedeutung und medialen Insz enie- 
rung. In se inen Fotos und Videos bricht der Künstler 
mit überlie ferten Bildern und Konventionen, indem er 
seine Darsteller mit Prothesen oder mec h anischen 
Appara ten versetzt, sie unnatürliche Verrenkungen 
ausführen lässt und den menschlichen Körper so zum 
Artefakt macht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die 
Kl eidung, die Schinwald spezie ll so wählt und konstru- 
iert, dass sie die Körperfunktionen auf ungewohnte 
Weise beeinflusst oder gar kontrolliert. Für ihn hat 
Kl eidung denn auch nicht nur die Bedeutung einer 
Hülle, sondern sie übernimmt vie lmehr die architek- 
tonische F unktion eines Gerüsts, die das Innenl eben 
bes timmt.3 
Dieses Wechselspiel von innen und aussen 
widerspiegelt sich auch in Schinwalds Choreographie, 
bei der es ihm darum geht, seelische Zus tände in 
physische Äquival ente zu übertragen. 
Die Protagonisten von «Ten in Love» fo lgen eben- 
falls einer solchen Cho r eographie. Sie scheine n merk- 
wür digen Zwängen unterworfen und bewegen sich 
marionettenartig, wie von fremder Hand geführt. Die 
Szenerie hat etwas Bühnenartiges, doch es herrscht 
eine grosse Leere und Einsamkeit in dies em Theater 
der Men schheit. Obwohl der Titel «Ten in love» heisst, 
1 
Der Kü nstler in einem Interview mit Maria Morais, in: db-artmag, 
Nr. 32, Dec. 2005/ Jan. 06 
2 
Ebd. 
3 
Siehe dazu das Interview von Dan iele Perm mit dem Künstler, in: 
Tema Celeste , Januar 2005
	        
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