Full text: Jahresbericht 2007 (2007)

Hinwe ise auf Neuerwerbungen 
SEBA STIAN STOSKOPFF – 
DER MEISTER DES ESSENTIELLEN STILLE BEN S. 
ZU SEINEM ZÜRCHER SCHR ANKBILD 
Das Verhältnis von Bild und Wirklichkeit gehört zu den 
zentral en Fragen der bildenden Ku nst: im Stilleben und 
nochm als gesteigert im Trompe-l'œil spitzt sich das 
Problem zu und wird in extremer Weise fo rmulier t. Die 
Augentäuschung bilde t seit dem neuen Realismus der 
klassischen Griechen das Lieblingsthema der Künst- 
leranekdoten. Zwar werden da angeblich Pferde durch 
gemalte Pferde und Leute durch Portraits ersc hr eckt, 
aber Tiere und Menschen wirken nur in Bewegung 
lebensecht: allein still lieg ende Sachen k önnen den 
Blick betrügen. Da sollen Vögel zu den von Zeuxis 
gemalten Trauben geflogen sein; und wie er sehen will, 
was sein Konkurrent Pa rrhasius dem entgegenhalten 
kö nnte, sieht er sich selbst durch den Vorhang betr o- 
gen,derdasBildist,vondemerihnwegziehenwill.1 
Lebensgross müss en die Dinge sein, in ihrer Materia- 
lität exakt erfasst, in P ers pektive, Licht und Atmosphä- 
re genau wiedergegeben. Entscheidend für den Illusio- 
nismus des T rompe-l'œil aber ist die scheinbare Aufhe- 
bung der Grenze zwischen dem Raum des Betrachters 
und dem Bildra um, die Verschmelzung von Realität und 
Fiktion. Im Rahmen und in der Bildfläche berühren sich 
die Sphär en: jener muss sich möglichst selbstver- 
ständlich und bruchlos den äusseren Gegebenheiten 
e infügen, diese kann nur beschränkt durch Tiefene ffek- 
te nach vorn oder hinten aufgelöst werden.2 
Die Wandnische gehört zu den beiläufigen ar chi- 
tektonischen Erscheinungen in alten Gebäuden, die 
sowohl funktional geplan t als auch durch strukturell e 
Be dingungen oder bauhisto ri sche Zufälle entstanden. 
Am prominentesten tritt sie neben dem Altar auf, kann 
sich im Sakramentshäuschen zu veritablen Kl einar chi- 
tekturen entwickeln oder verbleibt als schmuckl ose 
Vertiefung schlichte Ablage liturgischen Gerätes, vor- 
zugsweis e des Aquavinum, der Glaskrüglein für Wasser 
undWein.Undsofindensichschonum1300älteste 
übe rliefer te Beispiele für entsprechend gemalte 
Attrappen, die wohl nicht zul etzt als Zei chen der ste ten 
Präsenz der Euc h aristie geschaffen wu rden.3 Die ewi- 
ge, permanente Gegenwart sakraler Wirksamkeiten, 
dienurdurchSymbolezuleistenist,dürftezuden 
ältesten anthropologischen Bedürfnissen oder V orstel- 
lungen gehören, wohl eine der früheste n Reaktionen 
auf das Bewusstwerden der ei genen Sterblichkeit. Der 
ägyptis che T otenkult ist eine dra matisc he Manifesta- 
tion dieses Komplexes; die Darstellung lebensnotwen- 
diger Dinge –bishinzu«Ersatzköpfen»–inverschiede- 
nen Realitätsgraden füllt die Grabkammern. An zen- 
tral er Stell e werden W andnische n als «Scheintüren» 
inszeniert, magische Durchgänge für den Geist des ins 
Jens eits Eingegangenen. Im Mittelalter lebt die Idee 
und P raxis der ewigen Anbe tung, in Analogie zum Lob- 
preis der himml is chen Hee rschar en, und des ewigen 
Lichtes, dem Gleichnis der klugen Jungfrauen einge- 
denk, deren Lampen nicht des Öles ermangeln, als der 
Bräutigam überraschend in der Nacht erscheint (Mat- 
thäus XXV, 1–13). Und sodürfteeskeinZufallsein,dass 
Giotto in der Arenakapelle in Padua se inen architekto- 
nis chen Illusionismus, Teil des neuen «Realismus», in 
den be iden «Chörlein» am Triumphbogen vor dem Altar gipfeln lässt, die unter dem Gewölbe nur ein Fenster 71
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.