gemalten Nis che entsprechenden hölzernen Ausstat-
tung entstanden sein. Es setzt sichauchvonderKunst-
kammer-Atmosphäre der mit preziösen Gläsern, Gold-
schmiedearbeiten und Blumen gefüllten Schrän ke Fle-
gels ab, die ihre Nachfolge in den auf Kostbarkeiten
und Curiosa a bge stimmten Sammlungskabinetten von
Georg Hinz finden.15 Überblickt man Stoskopffs Werk,
soweit es heute bekannt ist – noch stets kommen
bedeutende Gemälde zum Vorschein16 – ,soist man
anders als bei den mei sten Stillebenmalern wenige r
von der virtuosen Beherrschung der malerischen Mi ttel
be rührt als von einer reflektierten Strenge in der Kon-
struktion des Bilde s. Dazu gehört der sehr bew usste
Umgang mit den illusionistischen Effekten. Dem Stille-
ben haftet allgemein, quasi genetisch, etwas Illusion i s-
tis ches an;fastinjedemragteinObjekt–einMesser,
eine Zitrone – über die als Bildeb ene wirkende vordere
Tischkante hinaus. Stosk opff ste igert dies nicht nur in
dem Schra nkbild zum Trompe-l'œil; erprobt er hier die
Öf fnung der Fläche nach hinten, arbeite t er in a nderen
Fällen noch effektvoller nach vorn, indem er Dinge an
die Wand h ängt, etwa zwei Fi sche oder einen V ogel.17
Auch dies ist ein eher altertümliches Verfahren, in der
Wandmalerei spätestens seit dem 15. Ja hrhunder t
geläufig; das ä lteste bekan nte isolierte Bild dieser Art
stam mt von Jacopo de'Barberi.18 Stoskopff entwickelte
den Typus weiter, indem er einen fingierten Kupferstich
auf die Tafelheftete,einersterSchrittzudenimspäte-
ren 17. und vor allem im 18. Jahrhundert belieb ten
Quodlibets , Vorformen der «Pin-Bretter» mit angehe f-
tetem Allerlei, v orzugsweis e Briefschaften und Kunst
auf Papier, die auch Johann Caspar F üssli anspie-
lungsreich pflegte.19 In dem Basler V anitas-Stilleben
schliesslich malte Stoskopff, von einem illusionisti-
schen Nagel auf dem als flachen Gegenstand «entlarv-
ten» Gemä lde festgehalten, einen Kalender.20 Hier wird
auch inhaltlich die allgemeine Be deutung dies es Illu-
sionismus als Vanitas, als Ausdr uck des nur wahnhaf-
ten Charakters alles Diesseitigen und Vergänglichen
ver de utlicht. Die Anordnung des Schädels auf dem als
Kragen wirkenden Notenheft über dem Büche rsto ss
greift die aus D ingen ko nstruie rten Köpfe Arcimboldos
auf und verdeutlicht damit einmal mehr die reflektie-
rende künstlerische Vorgehensweise Stoskopffs.
Man m öchte sich vorstellen, dass Stoskopff im
Wissen um die Neuartigkeit der erst seit etwa einer
Generation übliche n Gattung Stilleben auf das alter-
tümliche und seltene Schran kbild als deren wichtigste
Vorstufe zurückgreift und es im aktuellen Ko ntext neu
interpretiert. Dazu gehört die pointier te Aktivierung der
sechs Hauptric htu nge n nach oben und unten, links und
rechts,nach vorn – durch den Flaschenhals –undnach
hinten, wobei die feinen Abweichungen und genau e
Ausponderierung erst die meisterhafte künstlerische
Spann ung e rzeugt. Pointiert ist auch die Evokation der
Bilde bene nicht nur durch die Vorderkanten von
Schrank und Schaft, sondern auch durch die exakt
frontale Standfläche des liege nden Glases – mitte n im
rahmenden Viereck dürfte es unvermeidlich an die
dama ls üblichen Butzenscheiben und damit an Albertis
Definition des Bildes als Ausblick aus einem Fenster
e rinnert haben; die exak te Spie gelung des Fensters im
Alembic unmittelbar daneben u nte rstützt die Assozia-
tion. Die vom Licht als mathematisch reine Linie
gezeichnete Kreisform wird in den andern Gegenstän-
den als Kugel, Keg el, Zylinder, Spirale räu mlich entfa l-
tet und variiert. Dass die Auswahl der dargestellten
Dinge und ihre Anordnung primär unter formalen
G esi chtspunkten erfolgt, ist beze ichnend für die Haupt-
mei ster der zweiten Generation der Stillebenmaler wie
Piete r Claesz oder eben Stoskopff.
Man kann die abbildende Kunst des 17. Jahrhun-
derts als ein System von Ko mponenten und Struktur en
verste hen, die sich den Be dingungen des Bildfeldes,
des dargestellten Inhalts oder dem Wechselspiel dieser
beiden Bereiche zuordnen lassen. Da alle Werke der
Grundannahme eines «realistischen» Bildes zu genü-
gen haben, müssen stets alle formalen Komponenten
be rücksic htigt werden, aber ihre Gewichtung kann sehr
unterschiedlich gewä hlt werden – im Extremfall gera-
dezu gezielt gegen Null gefahren werden, z.B. die Far-
be in denGrisaillen oder den sog. monochromen Land-
schaften Jan van Goyens.Der moderne,mehr amzuge-
s pitzt Formalen als am Inhaltlichen interess ierte 74