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Hinweise auf Neuerwerbun ge n
MÄDCHENGRUPPE
AUF DEN APPENZELLER BERGEN
Adrian L udwig Richter (180 3–1 884) hat seine künst-
l erische Bestimmung schon früh in der idea len
Lands c haftsma lerei ges ehen. Durch das Stud ium
der alten M eister und der heimischen Landschaft
ist Richter s einem Sel b s tverständnis als Künstler,
Christ und Me nsch nähergekommen.1 Für die Ausbil-
dung seines Zeic he nstils war nicht zuletzt auch das
«Reizende, Liebliche, Enge Gessners»2 aus schlagge-
bend gewesen. Nach einem Studienaufentha lt in Rom
und in der Campagna von 182 3–26 versucht e er sich
in seiner Va terstadt Dresden als freier Maler zu etab-
lieren, was misslang. Er fand eine Anstellung als Zei-
chenl ehrer an der Porzellan-Manufaktur in Meissen.
1836 wurde er zum Lehrer für Landschafts- und
Tiermal erei an der Königlic h-Sächsis c he n Kunstaka-
demie in Dresden ernannt. Auf zahlreichen W ande-
rungen erschloss er zusammen mit s einen Schülern
die malerischen Sc hö nheiten Sachsens, Schles iens
und Böhmens . Um die Mitte des 19. Jahrhunderts
nahmerAbschiedvonderMalerei,umsichfastaus-
schliesslich der Druckgrafik zu widmen. In den Aqua-
rellen der 1870er Jahre griff er häufig auf ältere Moti-
ve zurüc k. Diese Spätwerke üben durch ihren Reich-
tum an Anspielungen und Bezügen einen bes onderen
Za uber aus. Die Kombination von landschaftlichen,
volkstümlichen und poetisch verallgemeinerten Ele-
me nten schlägt sich in dem Blatt in einer präzisen
Zeichnung nieder, deren Aquarellierung durch spar-
same Farbakzente bele bt wird.
Bei unserer Mädchengruppe auf einer Anhöhe
über einer weiträumigen Landschaft handelt es sich
mit grosser Wahrscheinlichkeit um eine der letz-
ten Kompositionen des Meisters.3 Sie entstand als
Geschenk des Künstlers an den aus Schlesien stam-
menden und mit einer Schweizerin verheirateten Louis
Prang (1824–1909), den Begründer der chromolitho-
grafischen Reproduktion von Altmeistergemälden und
Vater der amerikanischen Glückwunschkarte. Dieser
war nach der gescheiterten Revolution in Berlin 1850
indieUSAemigriert.InBostonhatteer,nachentbeh-
rungsreichen und schwierigen Jahren, eine lithografi-
sche Anstalt gegründet. Prangs Anschauungsmaterial
fürdieSchulewarbisvorKurzemnochjedemameri-
kanischen Kind ein Begriff. Als «Förderer der Künste
und Freund der Jugend»4 ging dieser deutsche Pionier
in die nordamerikanische Geschichte ein. Der unmittel-
bare Anlassfür die Reise unseresAquarells über den
Atlantik war die Hochzeit von Prangs einziger Tochter
RosaMariamitdemSohnseinesbestenFreundes,des
ebenfalls emigrierten, radikal-liberalen Publizisten
Karl Peter Heinzen (1809–1880), im Jahre 1875.5 Über
die Verbindung Richters zu Prang und Heinzen ist uns
nichts bekannt. Die Verquickung von geschäftlichen
und weltanschaulichen Interessen sowie der ausge-
prägte Hang zur philanthropischen Gemeinnützigkeit
sind den drei Protagonisten gemeinsam.
Zum Motivbestand des Aquarells: Im Mittelgrund
begrüssen ein paar Kinder und ein junger Hirt, der
mit seiner Herde seines Weges zieht, unweit von einer
Einsiedelei bei einem Wegkreuz in einer gebirgigen
Landschaft einen wandernden Mönch. Das Motiv ras- tender Figuren auf einer Anhöhe in den Bergen hatte