Full text: Jahresbericht 2016 (2016)

sondern unfokussiert, fast so, wie sie beim Posieren geschaut 
haben mag, nach vorne. 
Ducr ey verweist auf mögliche Einflüsse Ank ers, Liotards und 
zu Recht vor allem auf jene der alten Holländer , etwa des grossen 
Interieur sp ezia listen Pi eter de Hooch. Zugleich aber ist dem Bild 
Vallottons eine Modernität eigen , die sich bei diesen Küns tlern so 
nicht f indet. Sie zeigt sich insbesondere in der weggelassenen in- 
haltlich en Bezie hung zwisch en den beiden Figuren, mit der Vallot- 
ton die fast altme ist erliche Machart des Gemäldes u nte rläuft. Was 
sein Bild anbietet, ist keine klassisch genr eartige Narration, son- 
dern sind Brüche , nicht Stattfindendes. Kurzu m: Auf virtuose Wei- 
se lässt der Maler Form und Inhalt sich hier aus den Augen verlie- 
ren. Was das Thema der sich e motional nicht verbindenden Figur en 
angeh t, sei daran erin nert, dass zuvor etwa bereits Degas mit sei- 
nem Bild «La bouderie» von ca. 1870 und Manet mit sein em «Jar- 
din dʼhiver» von 1879 entzweite Figurenpaare insze niert ha tten; 
bei ihnen wurde indes s tattdes sen mehr und mehr die Malerei sel- 
ber in ihren sichtbaren Strichen als eigen wertige «peinture» zum 
v er einh eitlichenden In halt des Bildes. Vallotton hingegen rückt in 
seinem Bild keine «peintur e» um ihrer selbst Willen in S zene. Er 
beschränkt sich darauf, sub til ein fast altmeisterlich-virtuoses Set- 
ting auf eine scheinbar nicht dazu passende, «gebrochene» Narra- 
tion prall en zu lass en. Als Nächs tes sollte sich Vallotton in sei nem 
berühm ten Bild «Bain au soir d’é té» (ebenfalls Kuns thaus Zü rich) 
im gleichen Jahr einer symbolistischen Malerei a nnähern, der er 
dabei allerdings eine ironische, ja fast sarkastis che Note verlieh. 
Philip pe Büttner 
1   Marina Ducrey (un ter Mitarbei t von Katia Poletti), Félix Vallotton 1865 –1925, L ’œuvr e peint , 
Catalogue raisonné, Bd. 2, Première part ie: 1879 –1909, Zü rich / Lausanne 2005, Nr. 118, 
S. 61 ff., hier S. 62. Siehe auch Bd. 1, S. 125 f. Vallotton trug das Werk A nfang 1892 unter 
der Nr. 111 in sein «Livr e de raiso n» ein. Der entsprechende Eintrag lautet gemäss Ducrey, 
ebd., S. 61: «Intérieur . Jeune fille couchée, une autre entre portant un plat eau.» Es handelt 
sich um den drit ten  Ein trag von 1892. Siehe auch Ducrey, wie oben, Bd. 3, S. 269. Erstmals 
wurde das Bild 1893 an der Schweizerischen Kunstausstellung in Basel ausgestellt, das 
letz te Mal bish er an der grossen Retrospektive «Félix Vallotton, le feu sous la glace» von 
2013 / 2014 im Pa riser Grand Pa lais (Kat. 116, S. 174).
	        
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