55 AKTIVITÄTEN
GROSSSTADTRAUSCH / NATURIDYLL.
KIRCHNER – DIE BERLINER JAHRE
Ernst Ludwig Kirchner (1880 –1938) ist in der Schweiz
vor allem für seine Bilder der «heilen» Davo ser Bergwelt
und für seinen flächigen «Teppichstil» berühmt. Sein in
Deutschland entstandenes expressionistisches Werk hin-
gegen ist hierzulande kaum je umfassend gez eigt wor den.
Die Ausstellung «Grossstadtrausch / Naturidyll. Kirchner
– Die Berliner Jahre» war daher seinem Schaffen von
1911 bis 1917 gewidmet, das zu den bedeutendsten des
beginnenden 20. Jahrhunderts in Europa gehört. Anhand
von rund 160 Gemälden, Pastellen, Zeichnungen, Druck-
grafiken, Skizzenbüchern und einer Auswahl von Stoffar-
beiten, Skulpturen und Fotografien konnte das Publikum
in Zürich Kirchners intensive Schaffenszeit jener Jahre
(neu) entdecken.
Im Fokus der Ausstellung standen seine Arbeiten aus der
pulsierenden Grossstadt Berlin und von der idyllischen
Ostseeinsel Fehmarn. Die zwei gegensätzlichen Orte der
Inspiration markieren zwischen 1912 und 1914 den Höhe-
punkt in Kirchners expressionistischem Werk. Sie werden
oft als Gegenpol e angesehen: Hier das frenetisch-nervöse
Grossstadtleben, da die Erholung in ländlicher Abgeschie-
denheit; hier die Misere und Entfremdung des Grossstä d-
ters, da das harmonische Leben in Einheit mit der Natur.
In der Ausstellung wurden die beiden Pole – Grossstadt
und Naturidyll – als zusammengehörende zwei Seiten von
Kirchners Leben und Werk erfahrbar. Beide veranschau-
lichen sie sein S treben nach einem Leben ausserhalb der
bürgerlichen Normen und nach einer neuen, zeitgemäs-
sen Ausdrucksform.
Auf dem Höhepunkt seines expressionistischen Schaf-
fens wurde Kirchner, erst durch den Ausbruch des Erste n
Weltkriegs und dann durch seinen psychischen und phy-
sischen Zusammenbruch im September 1915, völli g aus
der Bahn geworfen. Trotz oder gerade wegen seines pre-
kären Gesundheitszustands entstanden wä hrend seines
persön li chen Tiefpunkts Werke von höc hster Eindringlich-
keit. Seiner Krisenzeit wurde in der Ausstellung daher ein
eigenes Kapitel gewidmet.
Neben Arbeiten aus Kirchners Berliner Zeit war eine re-
präsentative Auswah l sein er früh en Gemäld e aus Dresden Dresden