Full text: Jahresbericht 2017 (2017)

58 AKTIVITÄTEN 
Unterstützt von Swiss Re – Partner für zeitgenössische 
Kunst sowie von der Art Mentor Foundation Lucerne, der 
ar tEDU Stiftung und der Dr. Georg und Josi Guggenheim- 
Stiftung. Mirjam Varadinis 
CANTASTORIE. RITTER, RÄUBER, ZAUBERINNEN – 
VOLKSKUNST AUS SÜDITALIEN 
Süditalienische Volkskunst im Kunsthaus Zürich: Die 
Ausstellung «Cantastorie» zeigte mit rund 80 Plakaten, 
T extbüchern, Puppenköpfen und Filmdokumenten einen 
Einblick in die wenig bekannte Welt der neapolitanischen 
Bänkelsänger und Puppenspieler. Ihre grosse Blüte fand 
diese Form des Ausdruckstheaters im 19. Jahrhundert 
und verschwand zur Mitte des 20. Jahrhunderts mit der 
Verbreitung von Radio und Fernsehen nah ezu ganz. In Zei- 
ten und an Orten, in denen kaum jemand lesen konnte, 
wurde der Puparo und der Cantastorie, der Vortragende, 
zum Erzähler, Nachrichtensprecher und Darsteller in ei- 
nem. Bei den in der Ausstellung gezeigten Illustrationen 
handelt es sich um das Erbe zweier Puppenspielerfamili- 
en aus Neapel und Foggia, den Familien Parisi und Mal- 
dera. Jeden Abend fand in ihrem Theater eine Aufführung 
statt, gespielt wurde mit prächtigen und grossen Stan- 
genpuppen. Das Publikum waren meist einfache Leute. 
Die jeweilige Episode der gespielten Geschichte wurde 
vor dem Theater mit den in der Ausstellung gezeigten 
Plakaten angekündigt. So sind diese Szenen mehrheitlich 
als Aushängeschilder des Puppentheaters zu verstehen, 
ähnlich einem heutigen Kinoplakat. 
Das Repertoire der Puppenspieler umfasst e schwerp unk t- 
mä ssig die Erzählung der Gesch ic hten der Paladine Karls 
des Grossen und ihrer Käm pfe gegen die Sarazenen. Die 
Grundlage dieses weitverzweigten Geschichtenkosmos 
bil den die beiden Romane «Orlando furioso» von Ludovi- 
co Ariosto und «La Gerusalemme liberata» von Torquato 
Tasso, beide geschrieben im 16. Jahrhundert. Diese Epen 
waren grossen Teilen der süditalienischen Bevölkerung 
noch bis weit ins 20. Jahrhundert vertraut. Nicht jedoch 
aus der Literatu r , son dern vielmehr in der Nacherzählung 
und Vermittlung von Bänkelsängern und fahrenden Ge- 
schichtenerzählern, die sie über die Jahrhunderte wei ter 
getragen, ausgeschmückt und umgedichtet hatten. Dass 
das vom Mittelalter begeisterte Publikum im ausgehen- 
den 19. Jahrhundert eine solch ausgeprägte Vorliebe für 
diese heldenhaften Geschichten entwickelte, erstaunt 
nicht. Die Puppenspieler brachten jedo ch nicht nur histo- 
rische Stoffe auf die Bühne, auch die eigene Lebenswirk- 
lichkeit fand ihren Widerhall in den sogenannten «Storie 
di Napoli». Banditen- und Brigantengeschichten waren in 
ganz Süditalien populär, jede Region besa ss ihre eigenen 
Helden. 
Kunst, Moral und Vergnügen standen im Zentrum dieses 
«Theaters der kle inen Leute» und ebens o sehr in der Aus- 
stellung im Kunsthaus. Begleitet w urden die Theatervor- 
führungen jeweils von Musik, weshalb in der Ausstellung 
eine originale Jahrmarktsorgel integriert wurde. Rund 
ein Drittel des Ausstellungsraumes war reserviert für die 
gross e Bühne für Konzert- und Theateraufführungen und und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.