Full text: Jahresbericht 2020 (2020)

JUDITH BERNSTEIN 
BIRTH OF THE UNIVERS E #2, 2013 
Judith Bernstein (*1942) war bereits siebzig Jahre alt, als 
sie ihre erste Museumsausstellung im New Museum, New York, 
erhi elt. Da lebte und arbeitete sie – uner kannt in ihrem k ünstle- 
ri schen Talent – schon seit vierzig Jahren in der Stadt. Ber nstein 
gehört damit zu den vielen weiblichen Künstlerinnen, die erst 
sehr spät zu ihrer verdienten Karriere kommen. Die Gründe dafür 
sind vielfält ig. Während ihres Studiums an der Yale University in 
den 1960er-Jahren war sie mit ihren politischen Arbeiten, die in 
A useina nderset zung mit dem Vietnam-Krieg entstand en, und der 
sehr direkten kruden künstlerischen Sprache eine Au ssens eite- 
rin. Die M itstud enten waren meist Männer und der Abstrakte Ex- 
pressionismus der vorherrschende Stil. Als Bernstein sich ent- 
schied, den Pha llus als Metapher für Feminismus und m ännliches 
Imp oniergehabe zu verwend en, war die Reaktion der Professoren 
pures Unverständnis. 1974 wurde eine ihrer grossformatigen 
«Schrauben»-Kohlezeichnungen, von denen das Kunsthaus eben- 
falls eine besitzt, in einer A usstell ung in Philadelphia gar z ensu- 
riert und als Pornografie abgetan. Später entdeckte Bernstein 
Graffiti als Inspiration und war damit in Zeiten der Minimal Art 
ern eut ab seits des gängigen Kanons unterwegs. Entdeckt wurde 
sie schliesslich von dem Künstler Paul McCarthy bzw. dessen 
Tochter Mara McCarthy, die in Los A ngeles die Galer ie «The box» 
leitet und dort das Werk von Judith B ernstein 2009 erstmals aus- 
stellte. Seither reiht sich eine Ausstellung an die andere. Kein 
Problem für die inzwischen fast achtzigjährige K ünstler in. Judith 
Ber nstein ist eine ener gi egela dene Persö nlic hk eit, und ihr la utes 
La chen entspricht ihrer explosiven K unst. 
Lange war Be rnsteins bevor zug tes Medium die Ko hlezei ch- 
nung und ihr präferiertes Sujet der Phallus. Dieser war und ist für 
sie eine Form von Prot est gegen Sexism us, testosterongetriebe- 
nes Kriegsgebaren und jede Form von Unterdrückung. «Ausge-
	        
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