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SCHALL UND RAUCH. DIE WILDEN ZWANZIGER
Die Spuren vom Geist der 1920er-Jahre sind bis heute
vielerorts sichtbar: Sei es im Film, in der Architektur, in
der Mode, musikalisch wie politisch. Aber sind die Paral-
lelen nicht besonders verblüffend? Während den 1920 er-
Jahren die Spanische Grippe vorausging, steht am An-
fang der 202 0er ebenfalls eine Gesundheitskrise globalen
Ausmasses. Bei Drucklegung des Katalogs zur Ausstel-
lung erreichte uns die Nachricht der pandemiebedingten
Massnahme eines landesweiten Shutdowns, europaweit
und für fast drei Monate, wie sich herausstellen sollte. Es
zeichnete sich schnell ab, dass die ursprünglich geplan-
te Ausstellungseröffnung vom 24. April nicht eingehalten
werden ko nnte; mit dem Einhergehen der Grenzschlies-
sungen stellte sich jedo ch die viel drastischere Frage, ob
die Ausstellung mit 320 Exponaten, davon gut 220 Leih-
gaben aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich,
Tschechien und der Schweiz, sich überhaupt noch rea-
lisieren liesse. Somit wurde klar, dass der Katalog als
Zeitzeugnis auf jeden Fall termingerecht erscheinen soll-
te, auch für den Fall, dass die Ausstellung nie eröffnen
würde. Der Katalog erschien wie geplant, die Ausstellung
eröffnete schliesslich am 3. Juli. Dank grosser Solidari-
tät und Flexibilität der Leihgeber, aber auch unseres Or-
ganisationsteams, konnten bis auf zwei Ausnahmen alle
Leihgaben nach Zü rich reisen. Neuproduktionen von Marc
Bauer, Veronika Spierenburg und Rita Vitorelli wurden wie
geplant produziert. Manche in den wil den Zwanzigern ge-
stellte Fragen sind hundert Jahre später mehr denn je ak-
tuell: Wie fühle ich mich in mei nem Körper und in welch er
Beziehung steht dieser zur Umwelt? Wie will ich arbeiten
und wohnen? Die 1920er haben die Weichen für moder-
nes Bauen, Demokratie, Mobilität und das Neue Sehen
gestellt. Eine ganze Reihe dieser Errungenschaften, so
scheint es, werden heute wieder neu verhandelt und in
ihrer Definition ergänzt. Das Ziel dieser Ausstellung war,
jenseits gängiger Klischees der Frage nachzugehen, wie
uns diese Zeit aus ästhetisch-kultureller Warte nachhaltig
geprägt hat: Darum auch mehr Bauhaus und Modernis-
mus denn Art Déco, mehr Ausdruckstanz denn Cancan.
Gr osse Konvolute aus der Kunstbibliothek Berlin und dem
Archiv der Un iversi tät für Angewandte Kunst Wien gaben
zudem die Möglichkeit, kaum bekannte Facetten wie den
Ausdruckstanz von Valeska Gert und den Kinetismus von
My Ullmann und Elisabeth Karlinsky zu entdecken. Im
Kapitel Mode wurde ein Fokus auf die Zürcher Seiden- Seiden-