AKTIVITÄTEN
im Auge zu behalten, die einzelnen Bestände jedoch nach
Möglichkeit dort zu zeigen, wo sie am besten wirken, und
wo sie vom jeweiligen Architekturkontext getragen werden.
Es wurden Werkgruppen, die In sich eine Einheit bilden, ei-
gentliche «Cluster» definiert und mit passenden Raumein-
heiten in Verbindung gebracht. Die einzelnen Cluster - im
Sinne des «Storytelling» könnte man auch von narrativen
Einheiten sprechen - funktionieren innerhalb dieses Kon-
zepts autonom und können an andere Cluster grenzen, die
thematisch oder stilistisch verwandt sind, oder auch nicht.
So entstehen Kontraste zwischen einzelnen Clustern und
es treffen unterschiedliche Kontexte aufeinander, die zu
neuen Sichtweisen anregen. Diese Vorgehensweise ist die
Basis der neuen Gesamtpräsentation.
ın besonderer Weise gilt dies für die sogenannten «Inter-
ventionsräume» - definierte Räume im Bestand und in der
Erweiterung, die im Gegensatz zu ruhig und langfristig
strukturierten und bestückten Räumen mit Sammlungsen-
sembles regelmässig neu bespielt werden sollen. Sie ha
ben die Aufgabe, scharfe Gegensätze zu den angrenzenden
Räumen zu bilden und damit die klassischen, kanonischen
Bestände mithilfe von Junger, sehr oft weiblicher und nicht
selten kontroverser Kunst zu beleben.
Neben der Einbeziehung von viel mehr Kunst von Künstle-
rinnen sind das Zeigen von deutlich mehr Werken der In-
stallationskunst und vermehrt auch von Werken von aus
serhalb der traditionellen «westlichen» Kunst als weitere
besondere Schwerpunkte der Eröffnungspräsentation zu
nennen.
REAKTIONEN AUF DIE ERWEITERUNG
Besuchermässig war die Startphase des erweiterten
Kunsthauses sehr erfolgreich. Seitens der Medien und
verschiedener Interessengruppen dominierte aber die
Kritik an der Einbeziehung, Präsentation und Kontextua-
lisierung der Bührle-Sammlung, die zu einem kleinen Teil
aus Beständen ehemaliger Raubkunst und sogenannter
Fluchtkunst besteht. Demgegenüber fanden die Anstren-
gungen zur lebendigen, zeitgerechten Präsentation der
Kunsthaus-Sammlung und das besondere Pflegen der
oben genannten Schwerpunkte weit geringere Beachtung.
PROVENIENZFORSCHUNG IN DER SAMMLUNG
Das Kunsthaus Zürich prüft jeden Fall von Raub- oder
Fluchtkunst im Sinne gerechter und fairer Lösungen.
Dies sind wir den früheren Eigentümerinnen und Eigen-
tümern jener Kunstwerke schuldig, die sich von diesen
trennen mussten, als sie ihrer Jüdischen Herkunft wegen
verfolgt wurden oder in sonstige Notlagen gerieten - und
ihren Nachfahren. Hier stehen wir in der Verantwortung,
und diese übernehmen wir.
Die Suche nach gerechten und fairen Lösungen schulden
wir aber auch vorbildlich agierenden damaligen Akteu-
ren in der Schweiz, wie Wilhelm Wartmann. Von 1909 bis
1949 Direktor des Kunsthaus Zürich, handelte er in der
Zeit der Nazi-Diktatur verantwortlich und bot wiederholt
bedrängten Jüdischen Sammlerinnen und Sammlern Un-
terstützung an.
Der Provenienzbeauftragte der Sammlung, Joachim
Sieber, hat die Aktivitäten des Kunsthauses im Berichts-
jahr wie folgt zusammengefasst:
«Im Frühjahr 2021 konnte das wissenschaftliche For-
schungsprojekt <Die Provenienzen der Schenkungen
Leopold Ruzicka (1949), Nelly Bär (1968) & Walter
Haefner [1973 - 1995)> mit Förderung vom Bundesamt für
Kultur [BAK] gestartet werden. Es umfasst 74 vor 1945
entstandene Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen, die
am Original untersucht und dokumentiert sowie deren
Provenienzen systematisch überprüft, erforscht und suk-
zessive in der Sammlung Online publiziert werden.
Ein zweites vom BAK unterstütztes Provenienzfor-
schungsprojekt konnte im Archiv der Zürcher Kunstge-
sellschaft und des Kunsthaus Zürich aufgenommen wer-
den [siehe S. 85]. Im Berichtsjahr wurden zudem an der
fortlaufenden Aktualisierung und Publikation der Prove-
nienzen der Sammlungsbestände gearbeitet, zahlreiche
externe Anfragen bearbeitet, wie auch an nationalen und
internationalen Tagungen teilgenommen. Im Sommer
konnte im Rahmen der Neuorganisation der Sammlungs-
räume erstmals im Bestandsbau ein Interventionsraum
zum Thema Provenienzforschung umgesetzt werden.
Darin werden anhand mehrerer Objektgeschichten neu-
este Erkenntnisse der Provenienzforschung vermittelt.