Das 1963 in New York entstandene Bild des Kunsthauses ist
bereits mit «Maryan» signiert. Es zeigt, wie der Künstler zeit-
gleich mit dem Aufkommen der Pop Art seinen unverkennbaren
figürlichen Stil schärfte. Wir sehen eine unheimlich anmutende,
vordergründig leuchtend bunte Figur. Mit einer hellen Schürze
und Mütze bekleidet und einen Lollipop schleckend, könnte sie wie
eine Verkäuferin oder ein Verkäufer (das Geschlecht der Figur
bleibt trotz der rosa lackierten Fingernägel unklar) von Süssigkei-
ten anmuten. Zugleich wird diese Kennzeichnung durch düstere
Elemente massiv konterkariert: Die «Personnage» des Bildtitels
starrt uns aus schwarzen Augenschlitzen mit einem maskenarti-
gen Blick an. Auf einem schwarzen Boden und vor einer pech-
schwarzen Wand stehend, erscheint die Figur wie ein alptraumar-
tiges Zerrbild eines Menschen vor der Membran des Nichts.
Auffällig ist auch die schwarz-gelb-schwarze Armbinde, die die
Figur mit ihrem hochgehaltenen Unterarm sichtbar präsentiert.
Soll sie an die Kennzeichnungen erinnern, die jüdische Menschen
unter der Nazi-Diktatur tragen mussten, oder gemahnt sie im Ge-
genteil an ein Emblem der Unterdrücker? Haben wir es also mit
der pervertierten Darstellung eines Opfers oder eines Täters zu
tun? Der Vergleich mit anderen Werken der gleichen Zeit lässt auf
das Zweitgenannte schliessen, doch bleibt insgesamt eine Ambi-
valenz bestehen zwischen dem Ausdruck von Gefährdung und ei-
ner das Innerste des Menschen ebenfalls zerstörenden Kompli-
zenschaft mit dem Bösen. Der Künstler selber sprach von
autobiografischen «Truth Paintings». Er werde er selbst sein in
jeder Farbe, die er auf die Leinwand bringe.
Philippe Büttner
1 Zu Maryan siehe: Maryan, Ausst.-Kat. Galerie Haas, Zürich 2022, mit einem Beitrag von
Adam Szymczyk; Maryan, la ménagerie humaine 1927 – 1977, Ausst.-Kat. Musée d’art
et d’histoire du Judaïsme, Paris 2013. Empfehlenswert ist zudem der englischsprachige
Wikipedia-Artikel zu Pinchas Burstein (zuletzt abgerufen am 3.3.2023).