VERONIKA SPIERENBURG
DIE ENTSPANNUNG, 2022
In diesem neuen, erstmals 2022 im Kontext der Ausstellung
«Take Care: Kunst und Medizin» (siehe S. 57) präsentierten Film
«Die Entspannung» geht es um die Autoimmunerkrankung Multi-
ple Sklerose (MS), von der die Künstlerin selbst betroffen ist. MS
ist eine chronische, entzündliche und bislang nicht heilbare Er-
krankung des zentralen Nervensystems. Viele Menschen sind von
ihr betroffen, aber nur wenige sprechen offen darüber. Gleichzei-
tig gelangen der Forschung im letzten Jahrzehnt grosse therapeu-
tische Durchbrüche, beispielsweise mit der Immuntransplanta-
tion. In diesem Film, der skurril, fiktional, tragikomisch und
zugleich tiefgründig anmutet, ist diese Krankheit Hauptprotago-
nistin, ohne dass sie als MS direkt benannt wird. Die Kamera folgt
verschiedenen Personen, die sich gegenseitig ablösen, jede Figur
charakterisiert eine der vielfältigen Charakteristiken dieses Kos-
mos: die Patientin, der Arzt, die Sensomotorik oder auf feinstoff-
licher Ebene die die Nervenzellen umschliessende Myelinmem-
bran. Anhand von Robert Carswells pathologischen Zeichnungen
aus dem Jahr 1838 wird auch ein Exkurs in die Medizingeschichte
gemacht. Der Pathologe Robert Carswell und der Anatom Jean
Cruveilhier waren die ersten, die praktisch zeitgleich, aber unab-
hängig voneinander die für MS typischen Läsionen des zentralen
Nervensystems beschrieben und illustriert haben.
Eine glückliche Fügung führte dazu, dass die Berliner Regis-
seurin und Produzentin Nicola Graef das Kunsthaus 2021 wegen
ihres Dokumentarfilms über Krankheit in der Kunst kontaktierte
und sich nach der Ausstellung «Take Care» erkundigte, worauf der
Kontakt zu der Kuratorin Cathérine Hug hergestellt wurde. Im
Austausch über die jeweiligen Konzepte wurde schnell klar, dass
eine Zusammenarbeit zwischen Graef und Hug produktiv zu wer-
den versprach, und so wurde die Regisseurin durch die Kuratorin
mit der Künstlerin bekannt gemacht. In ihrem Feature «Kranke