Waffenstillstandes vom 8. Mai 1945 nach dem Ende des Zweiten Welt-
kriegs in Europa entstand, hat ein anderes Gepräge:
Das kleine Bild des zur Entstehungszeit wohl noch 22-jährigen
Künstlers ist unten rechts mit dem Monogramm «ES» signiert. Es
zeigt, von freien hellblauen Strichen umgeben, eine dichte Komposi-
tion, die ganz direkt auf den Moment des Kriegsendes Bezug nimmt.
Unten sehen wir in Gelb einen abfallenden Hügel oder wohl vielmehr
einen Teil des Globus, dessen Oberfläche mit schwarzen und roten
Strichen und Formen gesprenkelt ist. Weiter links verdichten sich
diese Elemente vor dem Gelb des Landes und der dunkelblauen Ma-
trix des Himmels zu zeichenartigen Strukturen, unter denen eine
rote, sonnenartige Scheibe, Kreuze (wohl Grabkreuze) und gelbe For-
men, die zum Teil an fallende Bomben erinnern, zu entdecken sind.
Insgesamt präsentiert sich diese Zone wie eine verdichtete Schrift
von Formen, die das Geschehen des schrecklichen Krieges lesbar
werden lässt. Der grösste Teil der Himmelsfläche aber ist frei und
dort schwebt, einen Zweig im Schnabel haltend, eine weisse Frie-
denstaube. Das durch Picasso neu aktivierte Symbol der Taube er-
scheint hier als Bote einer neuen, friedlicheren Zeit.
Als kleines Zeichen der Hoffnung in wiederum kriegerischer
Zeit wurde das eindrucksvolle kleine Werk in die oben erwähnte
Ausstellung integriert. Es konnte dort neben Alberto Giacomettis
Portraitgemälde von Ernst Scheidegger von 1959 hängend be-
wundert werden.
Philippe Büttner
1 Zu Scheidegger als Maler s. Max Bill, «Reminiszenzen», in: Ernst Scheidegger, Pho-
tograph, Cinéast, Gestalter, Redaktor, Maler, Verleger, Galerist, Ausst.-Kat Kunsthaus
Zürich, Bern 1992, S. 200–221.